Château de Maulnes: Manieristisches Schloss in Burgund
Phantastisches, manieristisches Schloß in Burgund entdeckt
Nachdem der Besitzer das Schloß immer mehr verfallen ließ, wurde dieses staatlich enteignet und wird zur Zeit restauriert. Seine Konzeption erinnert an das manieristische Schloß in Caprarola nördlich von Rom.
Château de Maulnes, Burgund
Projektkoordination: Jan Pieper, Anke Fissabre
Das Château de Maulnes wurde im Auftrag von Antoine de Crussol, Graf von Tonnère zwischen 1566 und 1572 von einem unbekannten Architekten errichtet. Es galt schon den Zeitgenossen als so bedeutend, das Jacques Androuet Ducerceau es 1576 unter die dreißig ”Plus Excellents Bastiments de France” aufnahm.
Das Schloss, von dem nur noch das Corps de Logis und Teile der Communs erhalten sind, wurde als fünfeckiger Donjon über einer natürlichen Quelle im Zentrum errichtet. Die Quelle ist unten in einer Brunnenschale am Boden eines 22 Meter hohen, durchbrochenen Zylinders gefasst, der sich durch alle Geschosse bis zur Dachterrasse zieht. Er ist im Scheitel geöffnet, so dass von oben Licht in die Brunnenschale fällt, das vom Wasser reflektiert wird und im Spiegelbild die Architektur der Brunnenröhre illusionär verdoppelt. Rings um diesen zentralen Kern ist durch alle Geschosse eine großzügige, fünfeckige Wendeltreppe geführt, die das Nymphäum und die Grotten im Sockelgeschoss mit der Dachterrasse verbindet. Von dort hat man einen ungehinderten Panoramablick über die riesigen Waldgebiete des Tonnerois. Das Treppenhaus ist beidseitig durch schachtartige Schlitze zur Landschaft hin geöffnet. Wind und Wetter haben freien Zutritt und somit ist die Treppe mit dem Brunnen im Kern eigentlich ein offener Galeriebau, eine Domäne des Außenraumes.
Die Naturelemente Licht, Wasser und Wind werden von dem fünfeckigen Donjon in seinem Innersten gefasst, in ihren Eigenschaften inszeniert und architektonisch überhöht. Darin ist ohne Frage das Leitmotiv des Entwurfes zu sehen, der ihm schon zu seiner Entstehungszeit einen Ehrenplatz in der berühmten Anthologie Ducerceaus sicherte.
Ungeachtet dieser hervorragenden Bedeutung ist das Schloss bisher von der Baugeschichte kaum beachtet worden. Unsere Forschungen in Maulnes begannen 1988. Von 1992 bis 1998 wurde das Bauwerk in insgesamt fünfzehn Bauaufnahmekampagnen aufgemessen und photographisch, zeichnerisch und in Raumbuch und Plänen in allen Einzelheiten im Maßstab 1:50 bis 1:5 dokumentiert.
Nach dendrochronologischen Untersuchungen und eingehender Bauforschung konnten Genese und Chronologie weitgehend geklärt werden. Es wurde eine fundierte Funktionsbestimmung aller Räume vorgenommen, die gezielte archäologische Grabungen des Centre des Recherches Médiévales, Auxerre, ermöglichten. Dabei wurde unter anderem ein komplett erhaltenes Schwitzbad der 70er Jahre des 16. Jahrhunderts gefunden.
Eine erste Zusammenfassung unserer Ergebnisse wurde 1999 in Ausstellungen in Aachen und in Burgund vorgestellt. Dazu wurde ein zweisprachiger (dt./frz.) Katalog veröffentlicht,
”Das Château de Maulnes in Burgund. Katalog zur Ausstellung in Aachen 1999”, das über 53 Seiten verfügt und für zehn Euro über den Lehrstuhl zu beziehen ist. Eine weitere Ausstellung und ein internationales wissenschaftliches Kolloquium fand vom 03.05. - 05.05.2001 im Reiffmuseum Aachen, statt.
Daraufhin wurde eine umfassende Monographie erarbeitet, die neben Baugeschichte und Typologie vor allem die Fragen der Architekturikonologie behandelt und die Rolle des Schlosses in der Baugeschichte der französischen Renaissance zu würdigen sucht. Das Werk ist im Jahre 2001 erscheinen: Pieper, Jan: Maulnes. Ein Konstrukt aus dem Geiste des Manierismus.
Das Château de Maulnes mit seiner einzigartigen Typologie und grandiosen Formensprache nimmt einen Ehrenplatz in der französischen Renaissance ein.
Zu Recht wurde es als eines der dreißig Schlösser von Jacques Androuet Ducerceau in die Reihe der »Plus Excellents Bastiments de France« (1576) aufgenommen. Der eigenwillige Fünfeckgrundriss, die ungewöhnliche Lage über einer natürlichen Quelle im Mittelpunkt des Gebäudes und die extrem reduzierte elementargeometrische Formensprache der Architektur gehören zu den originellsten Leistungen der Epoche. Trotz der besonderen Bedeutung, die das Schloss für die französische Renaissance besitzt, ist es bis in die jüngste Vergangenheit nahezu unerforscht geblieben. Der Lehrstuhl für Baugeschichte und Denkmalpflege der RWTH Aachen begann bereits vor 15 Jahren ein umfangreiches Forschungsprojekt in Maulnes, auf dessen Grundlage eine detaillierte ikonologische Untersuchung und Deutung dieses Meisterwerkes vorgenommen werden konnte. Die Ergebnisse wurden 2001 in einem internationalen Kolloquium im Kontext der Epochenprobleme der französischen Renaissance und des Manierismus diskutiert.