„SURREALISMUS ist aktueller denn je und er ist so vielfältig wie kaum eine andere Kunstrichtung“ ...

... heißt es im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung vom 11. August 2022, im Artikel „Wo der Hummer träumt“:

Wien + Venedig: „Dieser Sommer gehört dem Surrealismus, einer politisch hellwachen Kunstrichtung.“ und weiter „Der Surrealismus hat in diesem Sommer Konjunktur: von kleinen Bühnen wie dem Sigmund Freud Museum in Wien bis zur gewaltigen Rampe der Kunst-Biennale in Venedig, wo nicht nur die gefeierte „Surrealism and Magic“-Ausstellung in der Peggy Guggenheim Foundation zu sehen ist, sondern auch in der Hauptausstellung, der eigentlich der zeitgenössischen Kunst vorbehaltenen Biennale, unter dem diesjährigen Titel „The Milk of Dreams“ Künstlerinnen wie Dorothea Tanning, Eileen Agar und Leonora Carrington gefeiert werden.“

London: Tate Modern, London, Großbritannien. Die Ausstellung „Surrealismus Beyond Borders“ (Jenseits der Grenzen) umfasst 80 Jahre und 50 Länder, um zu zeigen, wie Surrealismus Künstler auf der ganzen Welt inspirierte und vereinte. Die Ausstellung wurde von der Tate Modern und dem Metropolitan Museum of Art, New York, organisiert und fand vom 24. Februar bis 29. August 2022 statt.

Potsdam: Museum Barberini: „Surrealismus und Magie“

Paris: Der Surrealismus ist auch vertreten bei der aktuellen großen 2. Ausstellung von Gerard Garouste, im Centre Pompidou in Paris, wo der Begriff „Surrealismus“ mit anderen Formulierungen wie „kompromisslose Figuration“ umgangen wird und der als einer der großen zeitgenössischen Künstler bezeichnet wird. Centre Pompidou: „Diese Retrospektive ist Gérard Garouste gewidmet, einem der bedeutendsten zeitgenössischen französischen Maler und Verfechter einer kompromisslosen Figuration.“ „Gérard Garouste, dem es nicht darum geht, zu etwas ‚zurückzukehren‘, sondern Tradition, ältere wie moderne, in das zeitgenössische Bewußtsein einzuschleusen, kultiviert wie kein anderer, weil er sich mit ihr beschäftigt hat, seinen eloquenten Ausstieg aus den kaum noch einlösbaren Forderungen innovationssüchtiger Avantgarde.(...) Deutlich wird, daß es sich bei Garouste um einen Maler von Weltrang handelt, der sich nicht leicht in die großen Bewegungen einordnen läßt, ein postmoderner Zeitgenosse auf der Dauersuche nach der Zeitlosigkeit, der sich über die „Aktionen der Avantgarde“ ärgert und sich nicht scheut, sich auf Joseph Beuys und Marcel Duchamp zu berufen. Faszinierend an der Ausstellung, daß man sehen kann, wie er sich, indem er aus dem reichen Fundus bewährter Tradition schöpft, der Psychologie und Zeitanalyse entzieht.“ schreibt 1989 H. J. Jocks im Kunstforum.

Wie wir immer wieder sehen, ist der Surrealismus keine Stilrichtung von gestern (wobei ich hier nicht die ideologische Sicht des klassischen Surrealismus im Sinne A. Bretons meine, wobei wir bei der Phantastischen Kunst aber auch „das Wunderbare“ finden), sondern, wie wir immer wieder darauf hingewiesen haben, eine Konstante im Bereich der Kunst, die sich nicht nach Kunstmoden richtet. LABYRINTHE – Gesellschaft für phantastische und visionäre Künste e.V.  hat bei ihren Ausstellungen (besonders im Kulturzentrum HERRENHOF – Neustadt-Mußbach bei der internationalen Biennale „art-imaginär“) versucht, das breite Spektrum der Phantasie des Menschen, die er in seinen Kunstwerken realisiert, aufzuzeigen. Hierbei haben wir auch immer wieder Klassiker von Piranesi bis Dali und Edgar Ende bis Clerici miteinbezogen, wie das auch schon die Surrealisten gemacht haben, die z. B. H. Bosch, Victor Hugo, Gustave Moreau und weitere Künstler als ihre „Vorläufer“ bezeichneten und mit ausstellten. 

Ein Problem der oben aufgeführten Surrealismus-Ausstellungen ist, dass diese fast immer nur mit den Klassikern des Surrealismus um A. Breton bestückt sind (Max Ernst, Dali, Tanguy, Miro, Masson usw.), die man in anderen Ausstellungen schon oft gesehen hat und dadurch der falsche Eindruck vermittelt wird, dass der Surrealismus eine abgeschlossene Kunstperiode gewesen ist. Denn alle klassischen Surrealisten haben nicht nur in der Zeit von 1925 bis 1940, sondern bis an ihr Lebensende surrealistisch gemalt und in dieser Zeit gab es weitere surrealistische Künstler, die leider nicht mehr im Verbund der klassischen Surrealisten in Paris mitausstellen konnten, weil Andre Breton 1966 gestorben war und sich danach niemand aus der Gruppe in der Lage sah, die Arbeit und Ausstellungsorganisation von Breton fortzusetzen. Deshalb ist es wichtig, dass die heutigen Künstler mit surrealistischer Tendenz auf diesen Sachverhalt hinweisen und dies deutlich machen, zumal sie hierbei immer wieder übergangen werden.

Immerhin gab es inzwischen umfangreiche Ausstellungen mit opulenten Katalogen wie: der Surrealismus in Belgien (BAM Beaux-Arts Mons), Surrealismus in Lateinamerika (Museum Bochum), Surrealismus in Spanien (Museo National Centro de Arte Reina Sofia, Madrid + Kunsthalle Düsseldorf, Wien, Verona, Santiago de Compostela), Surrealismus in den USA (National Academy Museum New York), Surrealismus in Prag (Hack-Museum Ludwigshafen), Surrealismus in Ägypten (Kunstsammlung N-W Düsseldorf + Centre Pompidou Paris + Museo National Centro de Arte Reina Sofia Madrid), Surrealismus in der Schweiz (Kunsthaus Aargau) und endlich 2021 „Surrealismus in Deutschland?“ wobei auch hier die Jahre von 1919 bis 1949 beachtet wurden, was irritierend ist, denn Maler wie Edgar Ende, Max Ernst oder Edgar Jené haben bis zum Ende ihres Lebens über diese Zeit hinaus gemalt und waren wie Edgar Ende und andere nie in Paris bei den Surrealisten engagiert. Bei der Ausstellung im Panorama-Museum werden eine ganze Reihe von verstorbenen Künstlern gezeigt, die bisher so gut wie nie bei einer Surrealistenausstellung vertreten waren (Hegemann, Springer, Michel, Thiemann, Wendt, Wollheim u. a.), während andere, die bei solchen Ausstellungen schon vertreten waren, wie Bele Bachem, Fabius von Gugel, Thomas Häfner, Woldemar Winkler und andere, fehlen, wie überhaupt die nachfolgende Surrealismus-Generation wieder nicht vertreten ist. Wie man mir mitteilte, hat das an den begrenzten Räumlichkeiten und den finanziellen Möglichkeiten des Panorama-Museum Bad Frankenhausen gelegen, was auch durch das Vorwort mit dem Titel „Fragmente einer Annäherung“ von Direktor Lindner deutlich wird, dem zu danken ist, dass er überhaupt eine solche Ausstellung zustande gebracht hat, die schon überfällig war und es zu wünschen ist, wenn solch eine Ausstellung in einem größeren Museum und Umfang in Zukunft gezeigt werden könnte.

Es wäre auch zu wünschen gewesen, wenn die sehr erfolgreiche internationale Biennale „art-imaginär“ in Neustadt-Mußbach weitergeführt worden wäre und es erreichen uns immer wieder Anfragen, wann die nächste „art-imaginär“ stattfindet. Leider haben sich 2020 nach dem Tod von Herrn Gustav Adolf Bähr, dem Leiter des HERRENHOFS, solche Verwerfungen ergeben, wo unsere intensive und aufwendige Arbeit von der damals nachfolgenden Leitung aus Dilettantismus ignoriert und Mitglieder des Ausstellungsteams an uns vorbei begannen eigene Phantastenausstellungen zu planen, was dann katastrophal schieflief. Dies, aber auch die Zeit von Corona war nicht dazu dienlich, unseren bisherigen Enthusiasmus für die Organisation der Ausstellung weiter zu fördern, zumal auch inzwischen die Phantastenszene sich verändert hat und eine ganze Reihe von Künstlern, die sich an der Ausstellung beteiligt haben, gestorben sind oder aus Altersgründen nicht mehr in der Lage sind, sich daran zu beteiligen, sodass jetzt eine Neustrukturierung und ein neuer Kreis von Künstlern zusammengestellt und neue Verbindungen zu Sammlungen und Leihgebern aufgebaut werden müsste, was einen großen Aufwand erforderlich macht. In der Regel braucht eine solche Ausstellung zwei Jahre Vorlaufzeit und bei der fertigen Ausstellung wird dann leider meist nicht gesehen, welch ein Aufwand im Hintergrund dafür zu leisten war. Immerhin kann ich den Interessenten der phantastischen Kunst einen anarchischen Außenseiter-TRAUMGARTEN in der Südpfalz zur Besichtigung anbieten, den ich in den letzten 8 Jahren errichtet habe und der weiter ausgebaut wird und inzwischen Besucher aus der ganzen Welt anzieht!

Otfried H. Culmann