Eröffnung „art-imaginär II – Hommage an Bruno Weber”

„art-imaginär II“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde der Phantastischen Kunst,

dies ist das erste Mal, dass der HERRENHOF die Ausstellung  „art imaginär “ verlängert und dabei auch noch die Ausstellungskonzeption bei den Sonderausstellungen verändert hat. Mit Ausnahme der Bilder von Wolfgang Ohlhäuser, der sich z.Z. wieder in Thailand befindet, sind alle anderen Künstler in der Ausstellung weiter mit ihren Werken vertreten, wobei es wie bei Herrmann Hoormann auch einen Bilderwechsel gegeben hat.
In den letzen Tage erschien, dank des besonderen Engagements von Herrn Westermann, ein umfangreicher Bericht über die Ausstellung  in dem Kunst & Integrations-Magazin „ostwind“. Ihm sind auch weitere Veröffentlichungen im Internet zu verdanken.
In der „art-imaginär 2011“ werden neben 36 Künstlern, auch Leihgaben aus der Sammlung Günter Westermann zu dem Projekt „Phantastik in der Box“ gezeigt. Vor zwei Jahren fand  in unserem Kunstkabinett eine Sonderausstellung dieser Sammlung mit ca. 75 Exponaten aus dem Bereich der Phantastischen Kunst statt. Seit 2009 sind wieder 28 neue Exponate hinzugekommen, die Sie an einer großen Wand in der Ausstellung sehen können. Bei diesen Objektboxen handelt es sich um kleine, vom Sammler Westermann selbst gebaute Holzkästen im Standardformat 17 x 13 x 2,5 cm, die er auf eine dahinter befindliche Holzplatte montiert hat, und von den Künstlern nach ihren Vorstellungen gestaltet werden. Das Ergebnis ist faszinierend, da jeder Künstler die Gestaltung des Kastens und der Fläche anders in Angriff nimmt. Wie ich von Herrn Westermann erfahren habe, soll diese Objektboxserie der Phantastischen Künstler fortgesetzt werden. Es wäre schön, wenn diese hervorragende Sammlung Einzug in ein Museum der phantastischen Kunst erfahren würde.

Die Ausstellungskonzeption der „art-imaginär“ sieht vor, dass  neben einer großen Zahl von zeitgenössischen Künstlern und Klassikern der Phant. Kunst, auch eine, oder mehrere  Sonderausstellung stattfinden, die einen größeren Einblick in das Werk eines verstorbenen Künstlers gibt.
Bei der „art-imaginär-2011“ war diese Sonderausstellung den Werken von Karl Kunz gewidmet und fand in der Parkvilla statt. Leider konnte diese Ausstellung aus räumlichen Gründen nicht verlängert werden und die Exponate gingen nach Berlin zurück. 

Hommage an Bruno Weber 2012

Dafür zeigen wir nun bei der „art-imaginär II“ im Kunstkabinett der Kunsthalle eine wundervolle Ausstellung als Hommage an Bruno Weber, einem der größten Phantastischen Künstler aus der Schweiz, die Skizzen, Zeichnungen, Ölbilder, Fotografien, Modelle, Möbel und Essgeschirr umfasst.
Bruno Weber verstarb im Alter von 80 Jahren am 24. Oktober 2011, ein Tag nach der Eröffnung der art-imaginär. 

Er hatte sich bei allen Ausstellungen der phantastischen Kunst im HERRENHOF beteiligt. Bei der Ausstellung „Der Faden der Ariadne“ 1998 war er mit mehreren Plastiken und mit Fotografien von seinem Skulpturenpark vertreten und nahm auch mit seiner Frau Mariann an dem großen Phantastentreffen teil, das einen Tag vor der Eröffnung der Ausstellung im HERRENHOF stattfand. Den Auftakt zu der damaligen Ausstellung bildete eine Großplastik von Bruno Weber, die man  durch den Kopf beziehungsweise das Maul des Stierentors betrat.
Mein Interesse für die Phantastische Kunst beschränkt sich nicht nur auf die Malerei und Grafik, sondern gilt auch der Phantastischen Architektur und Parklandschaft. So besuchte ich  vor ca. 40 Jahren den manieristischen Park von Bomarzo bei Rom, die Architekturen von Gaudi in Barcelona und das „Palais idéal“ des Briefträgers Ferdinand Cheval in Hauterives bei Romans. Diese architektonischen Kunstwerke waren alle schon lange baulich abgeschlossen und ihre Erbauer schon lange verstorben.
Da entdeckte ich vor über 25 Jahren in einer Zeitschrift einen Artikel mit der Überschrift:
 „Bruno – Sultan vom Weinrebenpark“. Die Fotos dieses Artikel weckten mein Interesse: sie zeigten einen zeitgenössischen Künstler beim Bau seines Atelierhauses mit vielen Figuren und das sah alles äußerst phantastisch aus. Ich beschloss, sobald sich eine Gelegenheit bieten würde, mir dieses Werk in natura anzusehen. Hier bot sich die einmalige Gelegenheit, einen phantastischen Skulpturenpark im Entstehen zu sehen und seinen Erbauer persönlich kennen zu lernen.
1986, auf der Rückreise von unserer damaligen alljährlichen Italienreise beschlossen wir, auf einem Campingplatz am Zürichsee zu übernachten, um am folgenden Tag  diese Wunderwelt aus Beton zu besuchen.

Die erste Begegnung mit Bruno Weber verlief ausgesprochen surreal- bizarr. Kaum waren wir beim Weinrebenpark aus dem Auto gestiegen, sahen wir auf einem Feldweg, oberhalb des Figurenparks, einen jungen Bauern mit großer Geschwindigkeit auf einem Traktor fahren, der wutentbrannt schrie, ja schrille Laute von sich gab. Plötzlich stoppte er den Traktor, sprang von diesem herunter und begann wie besessen mit einem Prügel auf das Gefährt einzudreschen, sodass uns der Traktor geradezu leid tat. Bruno Weber hatte das Geschrei anscheinend auch gehört, war aus seinem Palast gekommen und sah dem nun weiter fahrenden und schreienden Bauern verwundert hinter her. Er sagte zu uns, dass er so etwas auch noch nie gesehen habe. Anscheinend sei der Traktor unartig gewesen und hatte nicht das gemacht, was der Bauer wollte. Der hatte wohl noch einen persönlichen Bezug zu diesem Gefährt, so wie früher zu den Kühen und Pferden und war der Meinung, dass ein Traktor mit einer gehörigen Portion Prügel endlich das machen werde, was man von ihm verlange.
Wir ließen uns auf einer Phantastischen Sitzgruppe im Park nieder. Ich berichtete Bruno von meinem besonderen Interesse für die Phantastische Architektur und für „Außenseiterkünstler“ und er erzählte uns, wie sein Skulpturenpark sich entwickelt hatte und was er alles in den kommenden Jahren noch plante. Einige Tage vorher war er in einer  deutschen Fernsehdiskussion über Architektur eingeladen gewesen, in der er seine Vorstellungen gegen die allgegenwärtige tote, sterile, phantasielose Architektur vermittelte. Es bereitete uns großes Vergnügen ihm zuzuhören, wenn er mit ruhiger und sanfter Stimme das bisher von ihm Gebaute erklärte und das noch Kommende genau vor seinem inneren Auge sah und mit Worten plastisch umschrieb.

Bruno Weber hatte eigentlich als Kunstmaler angefangen und viele Jahre zuerst gemalt. In unserer Ausstellung sind davon mehrere Beispiele zu sehen. Er hatte die Bildhauer immer bedauert, die so schwere Steine durch die Gegend schleppen müssen und hatte zu Beginn seiner Künstlerlaufbahn nicht geahnt, dass er einmal selbst bis zu 180 Tonnen schwere  Monumentalfiguren errichten würde, die zu den größten der Schweiz gehören. 
Durch seine Familie war Bruno Weber Mitbesitzer eines Waldgrundstücks von etwa 25.000.qm bei Spreitenbach und Dietikon, oberhalb eines Wiesengeländes, das heute von einer  Schrebergartenkolonie eingenommen wird. Da Bruno für seine künstlerische Arbeit einen geeigneten Raum benötigte, plante er auf diesem Waldstück ein Freilicht- oder Schönwetteratelier zu errichten, was er auch reali-sierte. Dieses Atelierhaus wurde dann die  Keimzelle für sein gigantisches Gesamtkunstwerk, das in den folgenden 50 Jahren den ganzen Bergrücken einnehmen sollte.

Das geplante Schönwetteratelier entwickelte sich im Laufe der Jahre zu  einem exotischen Palast mit Atelier, Wohnräumen, Wohnturm mit Betonbett, Beton- Badegrotte und Sternensaal. Hierbei verwendete Bruno mit tatkräftiger Hilfe seiner Frau Mariann so wundervoll den farbigen Beton und überzogen diesen mit Mosaiken, dass daraus ein poetisch-kreativer Werkstoff wurde. Bruno sagte hierzu:  „Beton ist das wärmste und echteste Material. Es braucht nur Fantasie und Kühnheit.“
Während man von vielen Künstlern puristisch-konstruktivistische, minimalistische Atelierarchitekturen kennt, schlug Bruno Weber den gegensätzlichen Weg ein und überzog das Haus mit phantastischen Figuren, die vielleicht mancher Bauherr in seinem Hang zur Rationalität, als völlig überflüssig, arbeitsintensiv und kostentreibend ansieht. Ich möchte an dieser Stelle an die Zeit nach dem Krieg erinnern, als man mit dieser Argumentation und dem Hinweis, dassHäuserstuck nicht mehr  „modern“ ist, in manchen Städten den Jugendstil- und  Gründerzeitstuck von den Fassaden abschlug und Fassaden mit randlosen Fensterlöchern und seelenlose, langweilige und gesichtslose Straßenzüge entstanden.

Da sich auf Brunos Grundstück Lehm befindet, entwickelte er eine eigene Technik des Betongusses, wobei er in der Größe der geplanten Figuren eine Holzkiste baute, den Lehm in negativer Form hineinmodellierte, dabei oft auch schon die Mosaiksteine in den Lehm drückte und dann die Kiste mit Beton ausgoss. War der Beton hart, mussten nur noch der Holzverschlag und der Lehm entfernt werden und die Figur mit dem Mosaik war fertig. Diese Figur hatte dann auch oft noch das Pigment des Lehms angenommen, sodass der Beton nicht grau war, sondern eine Ockerfärbung bekam. Später wurden die Formen auch aus Polyester hergestellt, wodurch es möglich war, mehrere gleiche Betonabgüsse herzustellen.

Weiteres Baumaterial bekam der Künstler oft von Abrisshäusern. Es hatte sich mit der Zeit im Umfeld von Zürich herumgesprochen, dass auf dem Berg bei Spreitenbach jemand wohnt, der so ziemlich alles gebrauchen kann, wodurch so manche Lastwagenladung mit Steinen, Fliesen oder Mosaiken auf Brunos Gelände landete. Auf diese Weise kam er auch zu  wundervollen Fenstern oder zu Fenstergläsern für eine Wendeltreppenverglasung  am Wohnturm, die aus einem Forschungsinstitut stammten. Diese Fensterscheiben haben die Eigenschaft bei Sonneneinstrahlung milchig-weiß zu werden und die Hitze abzuhalten.

1972 entstand seine erste Monumentalplastik, das große „Tag- und Nacht-Haupttor“. Dies ist ein Kopf durch dessen Maul man das Reich von Bruno Weber betritt. Die Haare dieser Figur wurden aus Pflas-tersteinen gebildet.

1975 entstand das Pyramidenhaus, das sich aus zwei pyramidenförmigen Kopfhäusern zusammensetzt, die ursprünglich mit farbigen Schliffmatten bedeckt waren und später eine Aluminiumverkleidung erhielten. 

Geht man an den vielen Figuren vorbei in den Wald, kommt man zu einem gigantischen Kuh- und  Stierpavillon, einer Wohnskulptur, durch deren Beine man auf den Rücken der Tiere gelangt, wo sich eine Glaskuppel befindet.

In der Nähe des Eingangs zum Park steht ein monumentaler 20 Meter hoher und 180 Tonnen schwerer Eulenmensch, dessen Fundament allein 20 Tonnen wiegt. Einen  ähnlichen Eulenmenschen gibt es von Bruno Weber in Wien, an der Fassade der Bibliothek der Technischen Universität. Im Skulpturenpark kann man den Eulenmenschen über eine große Treppe besteigen und den Park und das Tal überblicken.

Ein weiteres gigantisches Werk ist der Wassergarten, dessen Bau wir jahrelang verfolgten und dessen Fertigstellung bald abgeschlossen sein wird. Ganz davon abgesehen, dass dieses Gesamtkunstwerk  finanziert werden muss, ist der unglaublich lange Atem, die Beharrlichkeit und die Energie zu bewundern, die Bruno und Mariann Weber bei diesen Projekten über Jahrzehnte hinweg besaßen.
So wird beim Wassergarten ein Wasserbecken von Kolonnaden aus geflügelten Vielfüßler-Hunde-Drachen eingefasst, in dem eine zehnbeinige Riesenspinne steht, die Wasser spritzt. Weitere Figuren stehen am Rand und schauen in das Becken. Hinter dem Wasserbecken befindet sich  der große Wassergartensaal mit 56 Sonnenleuchten und geflügelten Tiersäulenkapitellen und einem Tröpfelbrunnen.

Wer nun meint, der Park wäre fertig, der irrt, denn über dem Wassergartensaal soll noch ein Museum in Form einer Riesenraupe entstehen. Ein 3-D Computer-Modell ist als Abbildung in unserer Ausstellung zu sehen, wie auch das Foto eines plastischen Modells vom Park, das Architekturstudenten hergestellt haben. Geplant ist noch ein weiterer Turm am Wohnhaus, sodass wir davon ausgehen können, dass die Bautätigkeit noch einige Jahrzehnte nach den Plänen und im Geiste von Bruno weitergehen werden.
Vogelfrau auf Einhorn, Laufhunde, Waldfrau mit Kind, Rehbänke, Spielende Drachen als Geländer, Elefantenkatze, Mosaik-Hahn, Frosch-Alphorn, Mosaik-Schneckenpatriarch, Frühlings-Vasenfrau, Schlangenbrücke, Kopffüßler, Dreihörniger Stier, Frösche, Delfinbrunnen, Eulenspiegelgesichter, Alp-Horn-Geist, Blumenfrau, Tag- und Nachtor, Drachentor, Hirsche als Leuchtenträger – dies sind nur einige wenige Titel der vielen Figuren die Bruno und Mariann Weber  geschaffen haben und die sich in dem grandiosen Park befinden und die man nicht beschreiben kann, sondern mit eigenen Augen ansehen muss.

Neben seinen Gebäuden und Figuren entwarf und fertigte Bruno Weber auch Möbel, Geschirr, Essbestecke, Häuser, Riesenräder und Autos. Er gestaltete das bekannte Lokal Tantris in München und den Schweizer Pavillon auf der Weltausstellung Expo 92 in Sevilla. Seine Fabelwesen findet man auf öffentlichen Plätzen in der Schweiz. Inzwischen führt ein von ihm gestalteter Skulpturenweg die Besucher vom Bahnhof von Dietikon zu seinem Park.

Als ich mit Bruno über Transportprobleme bei der Ausstellung „Der Faden der Ariadne“ sprach, schüttelte er nur mit den Kopf und meinte, dass man immer darauf bestehen müsse, dass die Vorstellungen, die man habe, erfüllt werden, denn er habe sein Leben lang immer nur gehört, dass das und jenes nicht realisierbar sei. Tatsächlich könne man nahezu alles realisieren, man müsse das nur wollen.

In unserer Sonderausstellung geben wir durch Originalskizzen, Fotos und Modelle einen Einblick in die Arbeitsweise von Bruno Weber und seinen Park. Wer sich eingehend mit seinem Gesamtkunstwerk auseinander setzen möchte, dem empfehlen wir den soeben beim Schirmer Verlag erschienenen Bildband „Bruno Weber – Die Kraft der Fantasie – ein Lebenswerk“, sowie den Besuch des Bruno-Weber-Skulpturenparks, der seit einigen Jahren in eine Stiftung umgewandelt wurde und an Wochenenden besichtigt werden kann.

An dieser Stelle möchte ich Mariann Weber sehr herzlich begrüßen, die heute zur Eröffnung zu uns gekommen ist und ih  dafür danken, dass sie uns für diese Sonderausstellung großzügig Exponate zur Verfügung gestellt hat.

Damit ist die „art-imaginär II“ und erste Ausstellung mit  Dokumenten, Entwürfen, Bildern und Plastiken von Bruno Weber in Deutschland eröffnet!

Otfried H. Culmann