Bruno Weber: Grundsteinlegung für drei Gebäude

Einstiger Kauz wird zum Künstlerstar

Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi startet Gönneraktion zugunsten des Künstlers Bruno Weber

„Neue Züricher Zeitung"

(sru.) Wenn Politiker sich für einen Künstler einsetzen, ist das leicht verdächtig. Kunst ist lieber subversiv als affirmativ und deshalb den Volksvertretern tendenziell ein Dorn im Auge. Umgekehrt lassen sich Künstler ungern von Politikern loben: Sie brauchen Unabhängigkeit und fürchten nichts so sehr wie Vereinnahmung. Was also steckt dahinter, wenn sich Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi an einem sonnigen Freitagmorgen in den Wald an der Grenze zwischen Dietikon und Spreitenbach bemüht, um dort das Fundraising für einen Dietiker Künstler anzustossen? Wenn an diesem Anlass eine Broschüre verteilt wird, in der nebst der höchsten Schweizerin kein Geringerer als Bundesrat Pascal Couchepin die Liste des Patronatskomitees anführt?

Die Antwort lautet: Bruno Weber, ein Volkskünstler im besten Sinne, braucht Geld zur Vollendung seines schrulligen Skulpturenparks. Ihm zur Seite steht ein Gönnerverein mit bekannten Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Der Verein möchte das vor über vierzig Jahren begonnene Gesamtkunstwerk des 1931 geborenen Malers, Bildhauers und Architekten abschliessen. Das Budget beträgt fünf Millionen Franken, wovon die Kantone Aargau und Zürich zusammen eine Million bereits zur Verfügung gestellt haben. Beiträge von Mäzenen und Sponsoren in Höhe von 500 000 Franken sind ebenfalls zugesagt.

Der 20 000 Quadratmeter grosse Skulpturenpark wird um drei Gebäude in Form von acht Meter hohen Riesenraupen an einem künstlichen See erweitert. Im Innern der Raupen sollen ein Videoraum, ein Café, ein Besucherzentrum sowie ein Kulturgüterschutzraum entstehen. Mit anderen Worten: Der während Jahrzehnten beargwöhnte Kauz, der mitten im Wald illegal ein Haus errichtete und mit Fabelwesen bevölkerte, darf nun darauf hoffen, eine museale Institution vom Stellenwert eines Giardino dei Tarocchi zu schaffen, wie ihn Niki de Saint Phalle in der Toskana ins Leben rief. Dem einstigen Outlaw, dessen Bauten 1988 pauschal den behördlichen Segen erhielten, ist der Durchbruch gelungen.

Der prominent besetzte Gönnerverein lässt das Ziel, weitere 3,5 Millionen Franken zu sammeln, nicht allzu phantastisch erscheinen. Und so sind denn zur gestrigen Grundsteinlegung Hunderte von Wohlgesinnten ins Waldstück oberhalb von Dietikon gepilgert, um mit dem Meister den Beginn der letzten Etappe seines Werks zu feiern. Es gab Häppchen, Reden und sogar einen Shuttlebus ins Webersche Paradies, das in Zukunft jährlich gegen 18 000 Besucher aufnehmen – und den Standort Limmattal um eine Attraktion bereichern – soll. Entsprechend wird Bruno Weber in Zukunft kaum mehr selbst mit Betonmischer und Maurerkelle auf der Baustelle anzutreffen sein: Er und seine Frau Mariann Weber-Godon korrigieren am Computer entworfene Renderings und setzen sich mit Statikern und Ingenieuren auseinander. Der erhoffte Besucheransturm wird es auch nötig machen, die fragilen Bauten und Skulpturen zu restaurieren und zu unterhalten.

Der einst verwunschene Ort, an den man sich halb fasziniert, halb ängstlich herantasten konnte, dürfte dank der späten Wertschätzung des Künstlers über kurz oder lang ein Zentrum von nationaler Ausstrahlung werden. Das ist erfreulich, aber auch etwas bedrückend. Denn das Eintauchen in eine Welt des Staunens und Träumens, der Poesie und der Phantasie, von dem Christine Egerszegi gestern schwärmte, dürfte durch die Institutionalisierung ein Stück weit verloren gehen. So ist Skepsis tatsächlich nicht ganz unangebracht. Wenn von Vollendung eines Lebenswerkes gesprochen wird, verbindet sich damit auch ein kleiner Abschied.