Gerhart Habarta: „Der kleine kalte Krieg"

Aus Wien erhielten wir von Gerhard Habarta einen Auszug aus seinem Buch „Frühere Verhältnisse – Kunst in Wien nach 1945",  in dem er auf die kunstpolitische Situation in Österreich eingeht und darin beschreibt, wie in der Zeit des „Kalten Krieges"  Kunstpolitik für und gegen bestimmte Kunstrichtungen betrieben wurde.

Gerhard Habarta, geboren 1939 in Wien. Ab 1955 in der Jugend- und Bildungsarbeit. Seit 1958 als Ausstellungsmacher tätig. Ab 1978 Kurator und Veranstalter von Groß- und Museumsausstellungen zur Alltagskultur und mit Werken der klassischen Moderne. Zahlreiche Katalogpublikationen zur Gegenwartskunst. Zuletzt erschien bei BoD der Collectors Digest HANDBUCH PICASSO. In Vorbereitung ist das HANDBUCH der PHANTASTISCHEN KÜNSTE. Ab 1970 bis 1992 Zeitungsmacher, Redakteur und Gestalter von Zeitschriften. Mitautor, Autor und Herausgeber von Buchpublikationen zur Alltagskultur. Aktuell bei BoD: ES WAR DIE FRAU. In Vorbereitung eine Kultur- und Wirtschaftsgeschichte der Reliquien

„DER KLEINE KALTE KRIEG” (Auszug) 

Daß Kunst und Politik eng verzahnt sind, weiß man spätestens seit der Renaissance. Ein aktuelles Beispiel dafür war in den Fünfzigerjahren die abstrakte Malerei und der Kalte Krieg.

Kurz die Vorgeschichte: In den Dreißigerjahren und während des Krieges engagierten sich viele Künstler in Europa politisch gegen den Faschismus. Picasso war mit seinem GUERNICA und der Radierfolge TRAUM UND LÜGE FRANCOS ein deutlich sichtbarer Fixpunkt. In der französischen Widerstands­bewegung waren viele Künstler aktiv. Sie hatten ein starkes humanistisches und soziales Engagement, unabhängig vom künstlerischen Ausdruck. Ihre Stilmittel reichten vom Realismus Fernand Légers und dem Surrealismus eines Masson, über die Abstraktion der Ecole de Paris. Von Tal-Coat oder dem Katho­liken Manessier bis zu Miró und Picasso. Philosophen und Schriftsteller gehörten dazu, wie Sartre und Andre Breton, aber auch Filmstars, Wissenschaftler, Chansonniers und Kunst­drucker.

Die Widerstandsbewegung wuchs nach dem Krieg in die Friedensbewegung hinein, die langsam — in natürlicher Folge­richtigkeit — bei der starken kommunistischen Dominanz, unter sowjetischen Einfluß geriet.

Auf der anderen Seite erstarkte in den USA der Antikommu­nismus in seiner aktivsten Form. Realistische, sozial enga­gierte Künstler gerieten unter die Pression des Antikommunis­mus. Gleichzeitig erkannten führende Männer in der amerika­nischen Politik, wie nützlich es für die USA und den Kreuzzug für den freien Westen sein kann, eine möglichst unpolitische Kunst als Waffe im Kalten Krieg gegen das politische Engage­ment der europäischen Künstler zu setzen. Denn es waren ja nicht nur Künstler im besetzten Frankreich gewesen, sondern Künstler in allen vom Faschismus gefährdeten Ländern und Vertriebene wie zum Beispiel Oskar Kokoschka in London.

Am besten eignete sich dazu der amerikanische Abstrakte Expressionismus. „Die Abstrakte Kunst war das ideale Medium, der perfekte Kontrast zur traditionellen beschränkten Art des sozialistischen Realismus.“ (Thomas W. Braden)

Den Abstrakten Expressionismus konnte die USA als kulturell up to date in Konkurrenz auch zur politisch suspekten Kunst der Pariser setzen. Die US-Künstler, die man dafür im Auge hatte, waren „mehr interessiert an ästhetischen Werten, als an Politik“ (Braden). Abstrakt ließ sich leicht interpretieren, die Amerikanische Abstraktion ließ sich leichter zur reinen Kunst hochstilisieren. „Von 1940 an hat der Wille zur Abstraktion mehr als irgendeine andere Absicht die schöpferischen Kräfte der amerikanischen Kunst freigelegt. Die abstrakten Maler der Ecole de Paris waren, wie sehr sie es auch aufteilen, ent­formen, verdichten oder umbilden mochten, vom Gegen­ständlichen nie ganz losgekommen.“ (Holger Cahill im Katalog MODERNE KUNST AUS USA). Diese Unterscheidung zwi­schen französischen und amerikanischen Abstrakten war eine unbedingte politische Notwendigkeit. Denn nur so konnte die Einteilung in kommunismusabhängige und -verdächtige Kunst Europas einerseits und freie, amerikanische Kunst andererseits erfolgen und diese als politische Waffe eingesetzt werden.

Um beim Kriegsbild zu bleiben: Das Museum of Modern Art, New York, war das Hauptquartier. Immer schon eng verflochten mit den Rockefellers, die die Kriegskasse hatten, dem CIA, der die Aufmarschpläne koordinierte und den US-Information Agencies, die den Stellungskrieg führten.

Die politische Marschrichtung und die Zeittafel sieht etwa so aus:

Das OSS (Office of Strategic Services) wurde mit Hilfe und nach dem Vorbild des englischen MI6 und SOE gegründet. Sein erster Direktor war General William 'Wild Bill' Donovan. Daraus entstand der CIA. Bis 1945, also während des Krieges, wurden Aktivitäten vor allem in Mittel- und Lateinamerika getätigt. Das Büro für Inter-Amerikanische Angelegenheiten unterstand Nelson D. Rockefeller, dessen Standard Oil Interes­sen in den gleichen geographischen Breiten angesiedelt waren.

Von 1945 bis zum Ende der Fünfzigerjahre wurde Europa betreut. Dieser Betreuung verdanken die Wiener Künstler auch einen ihrer großen Augenzeugen. Yoichi Okamoto kam als Leutnant der US Army nach Wien und wurde der offizielle Bildberichterstatter von US Hochkommissar General Mark Clark. In der dieser Zeit entstanden die bedeutenden Porträts vor allem der Art Club Künstler. Ab 1954 war er Leiter der Fotosektion des USIA in Washington.

Der Hauptgrund war der Versuch der Schaffung eines Vereinigten Europas, was wesentlich von Coudenhove-Kalergi und dem polnischen Katholiken Joseph Rettinger und erzkon­servativen Kreisen vor allem aus dem Vatikan Geheimdienst PRO DEO betrieben wurde. Einer der vier Chefs des Geheimdienstes war Msgr. Montini, der später Papst Paul VI.

Diese starke Vatikanverflechtung führte letztlich auch zur Wahl der jetzigen Europaflagge: Blau, die Farbe des Mantels Marias und der Sternenkranz aus 12 fünfzackigen Sternen. Die Anzahl der Sterne hat nichts mit der Anzahl der europäischen Kern­staaten zu tun, wie das in der amerikanischen Flagge der Fall ist, sondern wurde eben vom Sternenkranz Marias inspiriert

.So wurde 1949 das ACUE (American Committee on an United Europe) gegründet. Vorsitzender war 'Wild Bill' Donovan, sein Stellvertreter Allen Dulles, der spätere erste Direktor des CIA, Exekutivdirektor war Thomas W. Braden, Chef der internationalen Organisationsabteilung des CIA. Gewaltige finanzielle Mittel wurden aus dem US-Außenministerium nach Brüssel transfe­riert, um beim Aufbau des Vereinigten Europa als Bollwerk gegen den Kommunismus zu helfen.

Der Direktor des englischen Geheimdienstes SOE (Special Operations Executiv), Sir Colin Gubbins und der CIA Direktor, General Walter Bedell Smith schufen dann 1954 mit der Europäischen Bewegung in einem Hotel in der Holländischen Staat Oosterbeek eine geheimnis­umwitterte, elitäre Denkfabrik, die Bilderberg-Konferenzen.

Ab 1962 wurde Europa uninteressant und die Aktivitäten wur­den dann nach Afrika und Asien verlagert.

Die Generale, die diese Kunstschlachten des Kalten Krieges schlugen, waren Portier A. McCray und Thomas W. Braden.

McCray studierte mit einem Rockefeller Stipendium an der Yale University bei Rockefellers Architekten W. Harrison. 1946 wurde er Leiter der Wanderausstellungen des Museums of Modern Art. 1951 ging er nach Paris um die Ausstellungs-Abteilung des Marshallplanbüros zu leiten.

Das Scherzwort von der ‘Marshallplan-Kunst’ ist also gar keines. Rudolf Hausner: „Ich lernte Victor Brauner in Paris kennen, als ich die Ausstellung der Phantastischen Kunst im Künstlerhaus vor­bereitete. Als ich ihn fragte, was er in Paris vorgefunden habe, als er aus der Emigration zurückgekommen war, sagte er: 'Die Marshallplankunst ist in Europa ausgebrochen.' Die gegen­ständliche Kunst war durch die Nazikunst und ihr Pendant im sowjetischen Einflußbereich desavouiert worden. So wurde das Informelle als Bekenntnis zum freien Westen, als Staatskunst herausgestrichen. Die abstrakte Kunst ist gleichzeitig mit den CARE-Paketen und ERP-Krediten gekommen. Sie war nur in den Marshallplan-Ländern zu lokalisieren.“

Josef Mikl: „Das war damals eine beliebte Vernaderung. Bei unserer Ausstellung in der Galerie Würthle hat man auch in so einer kommunistischen Vernaderung geschrieben: ‘Der Mikl und der Rainer, wovon haben die wohl ihr Geld für die Ausstellung und den Katalog bekommen. Natürlich vom CIA.’ Dabei hatten wir nicht einmal einen Katalog.“

1952 konnte McCray ausschließlich für Bildende Kunst über ein Fünfjahresbudget von $ 625.000 verfügen, was in Sachen Kunst damals ein bedeutender Brocken war. Wenn auch wenig im Vergleich zu den etwa 20 Millionen Dollar jährlich, die in die katholische Kulturarbeit flossen. Mittel die später in die berüch­tigte Loge P2 umgeleitet wurden. Der Dollar war das Dreifache des heutigen Betrages wert und die Kaufkraft ein Vielfaches. McCray sollte damit be­weisen, daß die USA nicht so hinterwäldlerisch sind, wie es die Russen demonstrieren. Alle Ausstellungen mit starker abstrak­ter Beteiligung hatten als ‘US representation’ offiziösen Charakter. Gleichzeitig mit McCarthys Hysterie der unamerika­nischen Umtriebe steigerte sich die Aktivität der Abstrakten in Europa. Bis zu jenem Höhepunkt, der kaum bekannt ist: 1952 kaufte McCray kurzerhand von der Regierung den Biennale-Pavillon von Venedig. Die amerikanische Beteiligung an der Schau der Nationen war somit die einzige private Exposition unter all den staatlichen Entsendungen. Während der ganzen Zeit werden Abstrakte präsentiert, 1958 erhält Marc Tobey den großen Preis der Biennale.

Mitstreiter McCrays war Thomas W. Braden vom CIA. Bis 1949 Sekretär des Museums of Modern Art, war er danach vier Jahre lang Beauftragter für kulturelle Angelegenheiten beim Geheimdienst CIA, bis er als Quartiermacher für neue Aufga­ben nach Asien geschickt wurde. In einem Artikel der ‘Saturday Evening Post’ verteidigte er seine Kulturpolitik: „I am glad, the CIA is unmoral.“ Ich bin froh, daß der CIA unsittlich ist. Er war der Überzeugung, daß mit der Kunst mehr Stimmung für die USA zu machen ist, als mit 100 Reden von John. F. Dulles oder Eisenhower. So trat der CIA als Konzertveranstalter und Ausstellungsorganisator abstrakter Kunst auf.

Wanderausstellungen zogen durch Europa, Kataloge wurden verteilt, die Biennalen überschwemmt. Das alles wurde auch voll Dankbarkeit und Interesse aufgenommenen. Die Bereit­schaft der Museen zur Kooperation war groß, denn den eige­nen Aktivitäten waren Grenzen gesetzt. Es war auch die Befriedigung eines ungeheuer großen Informations­bedürfnisses.

Aber die Auswahl war streng. Die Ausstellung ‘100 american artists’ wurde kurzerhand durch die US Information Agency abgesagt. Die Werke die auf Auslandsausstellungen gezeigt werden, sollen ausschließlich nach „ihrem künstlerischen Wert und nicht nach sozialen Anliegen der Künstler ausgewählt werden. Die USIA (United States Information Agencies) hat eine Politik gegen die Verwendung poli­tisch suspekter Werke in Auslandsausstellungen zu betreiben.“ So Theodor Streibert, der Direktor der USIA.

Alfred H. Barr jr. schrieb 1958 im Katalog 'Neue Amerikanische Malerei': „Die Künstler sind nicht politisch engagiert, ob­gleich durch ihr Werk gepriesen und verurteilt zur symbo­lischen Demonstration der Freiheit.“

Und im Katalog der Wanderausstellung 'moderne kunst aus usa' kann man von Bekehrung lesen: „Stuart Davis bekam ein soziales Bewußtsein, so wie alle anderen damals auch (in der Zeit der Wirtschaftskrise) doch bald kehrte er zur Abstraktion zurück.“

Unter der Patronanz des 'Instituts zur Förderung der Künste in Österreich' und des 'Kongresses für Freiheit der Kultur' fand die Ausstellung vorwiegend abstrakter 'Junge Maler der Gegenwart' 1959 in Wien statt. Die Einleitung von Julien Alvard ist nicht von schlechten Eltern, das ist Ledernacken­sprache, Eroberer-Slogan, Durchhaltestil:

„Kurz, es wird siegen, wer am meisten Staub aufwirbelt.

Kurz, die Malerei gehört den Mannskerlen.

Zum erstenmal in der Kunstgeschichte? Nein.

Denken wir nur an die, die sich den Muskulaturen des Michelangelo verschrieben haben... Es gab auch die Weibs­brocken der Rubens oder Renoir, aber von denen spricht man nicht mehr oder man ist degoutiert...

Nietzsches Wort bleibt aktuell: Ich lehre euch den Übermen­schen. Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr getan, ihn zu überwinden?

Bei all dem versteht man sehr gut, daß es die letzte Rettung scheint, mit Macht dreinzuschlagen. Das führt vielleicht nicht sehr weit, aber es ist eine Antwort der Jugend, sie trägt deren Handschrift. Das ist gut und beruhigend.

Wolfgang Kudrnofsky: „Das Abstrakte wurde zur Rekon­valeszenz-Droge für die europäische Nachkriegsgesellschaft.“

Die massiven Vorstöße abstrakter Kunst finanziert aus den Mitteln des Rockefeller Brother Funds, organisiert durch CIA und Marshallplan in Handlungsgemeinschaft mit den US Infor­mation Agencies bewirkte eine Frontstellung zum Realismus. So einfach war die Formel: Abstrakt ist Freiheit — Realistisch ist Diktatur.

Hrdlicka: „Es war auch nicht schwer. Die Russen hatten beim Einmarsch im April 1945 große Sympathien. Aber im Mai war schon alles aus. Durch usurpatorische Verordnungen, Gewalt­tätigkeiten, Vergewaltigungen war es bald vorbei. Gegen die Russen war leicht Einigung zu erzielen und jeder der links war, war gleich verdächtig.“

Hans Escher: „Als Linker war man damals in Wien in einem seltsamen Zweifrontenkrieg. Einerseits fanden wir, daß das althergebrachte Künstlerhaus im Grunde genommen vom Blut und Boden des Hauses der Deutschen Kunst stammt. Da hat­ten wir wirklich nichts verloren. Andererseits waren die Abstrak­ten etwas, was zwar nicht bekämpfenswert war, aber auch nicht akzeptabel. Man konnte keine echten Diskussionen abführen, weil man uns sofort mit Idanow oder dem Schlagwort vom Sozialistischen Realismus gekommen ist.“

Beide Parteien im Kalten Krieg versuchten ihre Truppen auf Linie zu bringen. Was nicht gelang, weil die Künstler zwar poli­tisch engagiert waren, oder auch nicht, in keinem Fall aber willen­lose Soldaten.

Escher: „Es gibt genügend Zeugen dafür, daß wir Realisten einen richtigen Kleinkrieg führten gegen die Blödheiten des sozialistischen Realismus. Wir haben uns ständig dagegen gewehrt und taten das unter schwierigeren Umständen als die Abstrakten, die dafür auch noch Subventionen kassierten und vom politischen Freiheitskampf ganz gut lebten.“

Eisler: „Hätte man damals so ernsthaft versucht die Wiener Realisten auf die Kunst des Sowjetvolkes einzuschulen, wären wahrscheinlich die meisten schon viel früher ausgetreten als sie es sind.“ In der KPÖ waren damals, oder standen ihr zumindest sehr nahe, so unterschiedliche Talente wie der Bildhauer Alfred Hrdlicka, die Maler Georg Eisler, Fritz Martinz und Karl Stark, die Grafiker Hans Escher und Franz Herberth, die Phantastischen Realisten Erich (Arik) Brauer, Rudolf Hausner und Roman Haller. Georg Eisler: „Es war übrigens eine Auswirkung des Kalten Krieges, daß die meisten so lange in der KP geblieben sind. Die Zahl der Künstler, Literaten und Intellektuellen war ja unproportional hoch in dieser Minipartei. Aber man scheute sich, dem Druck des Antikommunismus nachzugeben und sich zu schleichen.“

Ein Grund für den Erfolg der Abstrakten bei den Kunstkritikern war sicherlich, daß immer die letzte und neueste Richtung am erfolgreichsten ist. Der Realismus war durch die Nazi und Sowjetrealisten gründlich vermiest worden. Abstrakt galt als Synonym für progressiv. Hausner: „Bei uns war eine Nase eine Nase und ein Auge ein Auge. Da konnte es passieren, daß wir als Nazikunst abqualifiziert wurden.“

Jorg Lampe schrieb im PLAN in einem Beitrag 'Zur Problematik des Gegenständlichen in der Malerei' „Man sollte meinen, daß die jüngste Vergangenheit und ihre Auffassung von der Male­rei, von ihrem Verhältnis zur Natur und zum ‘Gegenstand’, sich deutlich genug als irrig und kunstfremd erwiesen hätte. Es hat jedoch den Anschein, als ob die gleiche Auffassung immer noch und sogar in solchen Köpfen spuke, die sich sonst aus­gesprochene Gegner des Faschismus nennen... Es ist gerade eine wahrhafte künstlerische, d. h. von einer echten Tiefen­schau beseelte und getriebene Malerei, die mit den Gegen­ständen als solchen nichts mehr anzufangen weiß, weil sie in ihnen nur noch entseelte Leichen zu erkennen glaubt, die keine Wiedergabe lohnen.“

Alfred Hrdlicka: „Es gibt keine abstrakten Romane und letztlich keine abstrakten Filme, wie soll da die bildende Kunst, die visuelle Ausdrucksform an sich, dann abstrakt sein. Ich ver­stehe den abstrakten und geometrischen Kern der Kunst, aber um sie als Mittel einzusetzen, nicht als selbständigen Ausdruck. Der Mensch wird immer das Wichtigste bleiben“

Georg Eisler „Es war eindeutig so, daß alles getan wurde, um uns Realisten zu ignorieren, während unsere gleichaltrigen Freunde, die abstrakt malten, um die ganze Welt geschickt wurden und Förderungen aller offiziellen Stellen hatten.“

Josef Mikl wurde zum Beispiel bis 1959 zu den Biennalen von Venedig, Lugano und Sao Paolo, zum Premio Lissone, zur Pittsburgh International nach den USA und der ‘4th Internatio­nal Art Exhibition’ in Japan entsendet. Er wurde im Stedelijk Museum. Amsterdam, und im Völkerkunde Museum, Hamburg, in der Ausstellung ‘Kunst aus Österreich’ gezeigt und bei der Guggenheim International Award Ausstellung.

Hrdlicka hatte seine erste Ausstellung 1960 zusammen mit Fritz Martinz in der Wiener Zedlitzhalle. Das Gebäude wurde knapp da­nach abgerissen. Und im Ausland stellte er zum ersten Mal 1962 beim Salon Comparaison, Paris, aus.

Jorg Lampe stellte denn auch in der Presse vom 10. 6. 1960 fest: „Gewalttätiges in der Kunsthalle... Genügend Anzeichen sprechen dafür, daß sie von der KPÖ zumindest unterstützt wird.“

Die Entgegnung einige Tage später: „Ausstellung Hrdlicka. Auf ausdrückliches Verlangen des Malers Fritz Martinz stellen wir ergänzend loyalerweise fest, daß die gesamten Kosten der Ausstellung von privat-persönlichen Geldern von Verwandten und Bekannten des Herrn Fritz Martinz bestritten wurden.“

Josef Mikl, der solche Verdächtigungen aus der anderen Richtung kennt, dazu ironisch: „Martinz und Hrdlicka haben sicher von den Russen gekriegt. Wahrscheinlich vier Rubel oder einen Brief mit Briefmarken.“

Georg Eisler hatte seine erste Ausstellung als Dreißigjähriger, 1958. Er wurde erstmals in der Galerie Wolfrum zu einer Aus­stellung in Wien eingeladen. Vor der Eröffnung kontaktierte ein Beamter des Unterrichtsministeriums den alten Herrn Wolfrum und klärte ihn über die Beziehung Eislers zum Weltkom­munismus auf. Die Ausstellung fand, der Zivilcourage des alten Buchhändlers, Verlegers und Galeristen zum Dank dennoch statt.

Rudolf Schönwald: „Als wir kleines Häufchen linker Maler zum Ausstellen kamen, war der Kalte Krieg vorbei und hatte sehr an Ansehen verloren.“

Georg Eisler: „Es wäre ein Blödsinn zu behaupten, daß Monsignore Mauer mit seiner Galerie St. Stephan ein CIA- Agent war, aber seine Intentionen liefen genau in die gleiche Richtung, nämlich von links abzudrängen. Ich will auch nicht implizieren, daß es den Künstlern wie Prachensky oder Rainer bewußt war. Es war die Aufgabe, die Diktatur des abstrakten Kunst als Alternative darzustellen, als Freiheitstraum. Es sah aus, als ob die Welt aus zwei Kunstsystemen bestünde: Und wehe denjenigen, die sich auf der falschen Seite etwas Falsches vorstellen.“

Jener Mann, von dem man weiß, daß er tatsächlich als CIA Agent für bildende Kunst in Österreich tätig war, ist Captain Charles von Ripper gewesen. Er war ehemaliger Österreicher und Angehö­riger der US-Army. 1945 hatte er den Mussolini-Befreier Skorzeny in einem abenteuerlichen Handstreich festgenom­men. Er gehörte dem CIC an, einer Unterabteilung des CIA und war einer der führenden Männer im engen Agentennetz dieser Organisation in Westdeutschland und Österreich nach dem Krieg. Bis 1989, als in Linz und Salzburg eindrucksvolle Aus­stellungen über das künstlerische Werk von Rudolf Charles von Ripper gezeigt wurden, kannte man nur Legenden über ihn. Seine Biographie war sauber aufgebaut, wie aus einem Spionage-Thriller. Alter öster­reichischer Adel, bargeldlos, verheiratet in den USA mit einer Corned-Beef Witwe, die sich nach einem Adelstitel sehnte. Er wurde Offizier in der Gegenspionageorganisation der US-Army (G2). Er war einer jener Offiziere, welche die in einem Salzbergwerk bei Bad Aussee von den Nazi versteckten Bilder Brueghels, Tizians und Rubens aus dem Besitz des Kunsthistorischen Museums sicherstellten. 1949 kam er als Austausch-Dozent für Kunstgeschichte nach Wien. Sein Austauschpartner, der dafür nach den USA ging, war Fritz Janschka. Von Ripper kannte man kleine Häkelbildchen wie von Paul Klee. Nach Beteiligung an allen Kulturprojekten von denen man nicht genau wußte wie sie liefen, verschwand er aus der Szene und der Gerüchteküche. Man hörte nur noch, daß er bei einer abenteuerlichen Schmuggelaktion irgendwo an der Grenze angeschossen oder im Zweikampf erlegt worden sein soll.

Die Amerikaner hatten schon früh mehrwöchige Tagungen auf Schloß Leopoldskron eingeführt, bei denen über Kunst, Musik, Theater geredet wurde. Wo ein Gedankenaustausch mit inter­nationalen Fachleuten stattfand und wo ausgehungerte öster­reichische Künstler sich durch Wochen sattessen konnten. Ripper kam nach Wien und integrierte sich rasch genug ins örtliche Kulturleben. Er organisierte 1950 eine hervorragende Ausstellung moderner Kunst für die Akademie. Er nannte den amerikanischen Stellen jene Künstler und Kunsthistoriker, die für längere Studienreisen in die USA eingeladen wurden. Er war in engem Kontakt zu allen Leuten, die mit Kunst zu tun hatten. Er gehörte zum Freundeskreis von Fritz Molden, einem verdienstvollen jungen Widerstandskämpfer, der mit Joan, der Tochter des US Geheimdienstchefs Allen Dulles, verheiratet war. Joan Molden war Bildhauer-Schülerin bei Wotruba. Ripper organisierte Ausstellungen und Beteiligungen für österreichi­sche Künstler. Einmal stellte er gemeinsam mit Leinfellner in München aus. Und er vermittelte Aufträge. So für Rudolf Schwaiger, der für eine US Kaserne in Salzburg ein Denkmal für Captain Roeder machte. Auch General Mark Clark nahm zwei Arbeiten Schwaigers nach den USA mit. Schwaiger, der aus dem Salzkammergut kam, war im Krieg Funker bei der deut­schen Wehrmacht. In der angenehmen Atmosphäre einer Salzburger Villa, wo der Künstler, Charles von Ripper, genannt ‘Ripski’, Molden und seine Frau gemütlich beisammen saßen, appelierte Ripper an den Patriotismus Schwaigers, an den Bergbauern im Bildhauer, doch seine alpenländische Heimat nicht den roten Horden des Weltkommunismus in die Hände fallen zu lassen. Ripper wollte Schwaigers Kenntnisse als Funker einbauen in das Netz von mehr als 2.000 damals existierenden Nachrichtenstationen des CIC in Europa. Es ist der einzige bekannte Versuch einen Künstler als direkten Agenten anzu­werben.

In diese Funkstationen war übrigens auch die Österreichische Bau-und Holzarbeitergewerkschaft über einen Wanderverein eingebunden. Die Modell­fluggruppe der Jugendabteilung war das Kernstück. Die Sache flog auf, als nach einem internationalen Zeltlager des in Brüssel zentralisierten Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften, IBFG, ein Bau-Holz-Jugendfunktio­när aufgefordert wurde, Berichte über den Verbleib mehrerer Millionen zu liefern, die er zur Überzeugung von Delegierten aus Afrika und Asien er­halten hatte. Es war aber nur sein ganz privater Beitrag zum Kalten Krieg gewesen, und er hatte sich schon, unter Mitnahme eines Zusatzverdienstes aus dem Verkauf der Luftmatratzen nach Veranstaltungsende nach Südamerika abgesetzt.

Diese von Franz Olah in die Jugendgruppen integrierten Funkstationen waren vor 1955, Teil eines Projektes ‘Gladio’ mit versteckten Waffenlagern und einem Unterstützungsnetz für künftige Untergrund- und Partisanengruppen, finanziert von den amerikanischen Gewerk­schaften und dem CIA.

Man war ziemlich sicher, daß Österreich eines Tages von russischen Tanks überrollt, zur Volksdemokratie niedergewalzt wird und wollte gewappnet sein. Dazu gehörte auch, daß die Regierung gleich nach 1945 Kunstschätze des Kunst­historischen Museums auf eine auf Jahre geplante Ausstel­lungstournee schickte, um im Fall des Falles Österreichs, genügend Mittel für eine Exilregierung zu haben.

Die wahre Biographie des Charles von Ripper liest sich nicht weniger abenteuerlich als die gerüchteweise weitergegebene: Rudolf Karl Hugo von Ripper wurde 1905 als Sohn eines k.u.k. Generalmajors in Klausenburg, im heutigen Rumänien, geboren. 1925 geht er zur Fremdenlegion, deser­tiert auf abenteuerliche Weise. 1929 heiratet er in Berlin die Tochter von Carl Sternheim, dem expressionistischen Dramatiker. Er wird für Jahre abhängig von Rauschgift. In den Dreißigerjahren bekommt Ripper Kontakt zu André Malraux und schmuggelt 1933 das ‘Livre Brun’,das ‘Braunbuch’, die erste Dokumentation über Naziverbrechen, in großen Stückzahlen nach Deutschland. In Berlin entwirft er ein Wahlplakat für die SPD. Bald danach wird er von der GESTAPO verhaftet und gefoltert. Nach einer Scheinerschießung wird er ins KZ Oranienburg gebracht. Nach mehr als einem halben Jahr wird er befreit und geht nach Amsterdam. Dort veröffentlicht er Anti-Nazi-Artikel. Die GESTAPO verfolgt nun Ripper, versucht seine Ausstellungen wegen Verächtlichmachung Hitlers zu verbieten, läßt seine Zeichnungen aus der Druckerei stehlen. Er wiederholt seinen anti­faschistischen Zyklus als Radierung. 1936 schließt sich Ripper der Internationalen Brigade im Spanischen Bürgerkrieg an. Hier wird er zum Antikommunisten. Schwer verletzt wird er nach Paris gebracht und dort wegen der Desertion in Deutschland verhaftet. Mit Hilfe von Jean Giraudoux kommt er frei. 1938 geht er nach New York. 1942 gelingt es ihm in die US-Army aufgenommen zu werden, wo er riskante Kommandounternehmen in Italien organisiert. General Mark Clark bezeichnet ihn als den höchstdekorierten Offizier der 5. Armee.

1944 wird er vom englischen Geheimdienst (A-Force) mit einem Spionageeinsatz in Rom betreut. Er wird dann dem O.S.S., dem Office of Strategic Services, zur Unterstützung der österreichischen Widerstandskämpfer zugeteilt. Als Carl Reber springt er mehrmals mit dem Fallschirm ab und versorgt Partisanen mit Papieren, Waffen und Funkgeräten. Hier trifft er Fritz Molden und die Leute von 'O5'. Wenige Wochen nach der Befreiung übersiedelt er nach Wien in die Löwelstraße. 1946 zeigt er seinen Antifaschistischen Zyklus von 1936 'Zerstört die Infamie' im Österreichisch-Amerikanischen Club. General Mark W. Clark läßt Captain Ripper wegen seiner massiven antikommunisti­schen Aktivitäten nach den USA rückversetzen. Zwar nimmt er noch als künstlerischer Beobachter und Bildberichterstatter an den Atombombenexplosionen auf dem Bikini-Atoll teil, scheidet aber dann verärgert aus der Army aus. Er lebt von einem Guggenheim-Fellowship Stipendium. Neben verschiedenen Aktivitäten in den USA organisiert er 1947 eine Ausstellung in Wien und schmuggelt dazu Werke von Kandinsky, Brancusi, Giacometti und Jackson Pollock in seinem Wagen von Frank­reich über Staatsgrenzen und Besatzungszonen nach Wien.

Charles von Ripper ist aktiv an der Organisation des Inter­nationalen College in Alpbach beteiligt, und am Kongreß für Freiheit der Kultur. Er hält Vorträge an der Akademie in Wien, und arbeitet an der Ausstellung ‘Form und Gestaltung’ an der Akademie im Februar 1950. Er ist der eifrigste Formulierer der Thesen von der Freiheit der Kunst im Gegensatz zum Kommu­nismus. Er wird Leiter des durch die Catherwood-Foundation finanzierten Forschungsinstitut für Europäische Gegenwarts­kunde. In Alpbach hält er einen programmatischen Vortrag über ‘Die Evolution von der realistischen zur neorealistischen Dar­stellung der Natur in der Gegenwartskunst und die Entwicklung der Reinen Abstrakten Kunst.’ Auch am Pariser 'Kongreß für Freiheit der Kultur' 1952 referiert Ripper zu diesem Thema.

Über den 'Kongreß für Freiheit der Kultur' wurde auch der Wiener Verein 'Allgemeines Jugendkulturwerk — Gesellschaft für Freiheit der Kultur' vom CIA finanziert, der ab 1954 das ‘FORVM — Österreichische Monatsblätter für kulturelle Freiheit' herausgab.

Übrigens ist das massive verbale Eintreten Rippers für die Abstrak­tion im Widerspruch zu seinem eigenen Werk. Denn im Mai 1952 zeigt er seine kritisch-realistischen, surrealen Radierun­gen von 1936 im Strohkoffer des Art Club. Charles von Ripper: „Ich tue es um zu zeigen, in wie trauriger Weise Geschichte sich wiederholt. An Stelle der braunen Gefahr steht heute die rote Gefahr des russisch-asiatischen Kommunismus.“

In Wien beginnen sich die Verhältnisse zu normalisieren. Und so übersiedelt Ripper nach Pollensa auf Mallorca. Er malt und macht Schmuckstücke.

1954 begleitet er als Leibwächter Salvador Dalí nach Rom. Hier will der Surrealist, dessen anarchistischer Antifaschismus sich in einen klerikalen Monarchismus gewandelt hat, eine Audienz beim Papst. Der ehemalige Geheimagent Ripper macht Dalí mit dem ehemaligen Geheimdienstmann und nachmaligen Chef der London-Film (‘Der Dritte Mann’) Captain John Peter Moore bekannt. Die Audienz Dalís kommt zustande und Captain J.P. Moore wird ab diesem Zeitpunkt der langjährige Sekretär und 'Haushofmeister' Dalís.

1956 wird Ripper wieder als Agent aktiv, wenngleich auch ohne öffentlichen Auftrag. Als private Hilfe für den ungarischen Widerstand schmuggelt er Waffen aus irgendwelchen CIA- oder Gladio-Verstecken im Koffer nach Ungarn, das im Oktober von russi­schen Panzern überrollt wird.

1959 werden Ripper und seine Frau Avi nach einer großen Asien­reise an der spanischen Grenze verhaftet: Zuviele Rohedelsteine, aus denen er Schmuckstücke bastelt, in der Hosentasche. Die Aufregung verstärkt seine Angina Pectoris-Anfälle und er stirbt 54-jährig am 9. Juni 1959. Der katholische Geist­liche verweigert das Begräbnis und so wird er außerhalb des Friedhofs von Pollensa formlos beerdigt.

Der Kalte Krieg in Wien war etwas, das mit unerhörter Akribie geführt wurde, wenn das die Bedeutung von Kleingeisterei ist. Er traf Künstler ohne Ansehen der Person. Den damals zwanzigjährigen unbekannten Rudolf Schönwald ebenso wie den siebzigjährigen weltberühmten Picasso.

Rudolf Schönwald: „Ich malte damals ein lebensgroßes Porträt meines Bruders. Eine Gruppe mit ihm im Ringerdress. Dieses realistische Bild stand in der Akademie herum und Boeckl hat einen Blick darauf geworfen. Er sprach mich auf der Stiege an und hat eine für seine Begriffe ungeheure Eloge auf dieses Bild gehalten: 'Weitermachen, couragiert weiterarbeiten. Courage, Courage. Denn wenn man die Natur in der Hand hat, dann braucht man alles andere nicht.'

Boeckl war ein Mann dessen Wort ungeheures Gewicht hatte. Aber das Bild wurde bei der Schülerausstellung der Akademie nicht aufgehängt. Man war der Meinung, daß der Realismus ein Import aus dem Osten sei. Daß meine Überzeugung links war, hat sich in diesem Bild nicht übermäßig niedergeschlagen. Weder wehten rote Fahnen, noch habe ich die Imperialisten dem Hohn und der Verachtung preisgegeben. Es war ganz einfach der Einfluß italienischer Realisten nicht zu leugnen. Aber man konnte ein Bild dieser Art damals nicht zeigen.“

Ähnlich erging es Fritz Martinz, der in der Herbstausstellung der Secession nicht gezeigt wurde. „In Wien war der Kalte Krieg mit Kleinkrämerei verbunden. Daß Fleißaufgaben gemacht wurden in der Kunst und beim Theater, daß man Leuten Drohungen geschrieben hat, wenn sie weiter in dem (unter sowjetischer Verwaltung stehenden) Theater SCALA spielen, holt sie der Teufel, sind eine echte Sauerei.“

Es traf aber nicht nur die Kleinen.

1951 fand eine Ratstagung des unter kommunistischer Kontrolle stehenden Weltfriedensrates im Wiener Kursalon statt. Dazu sollte auch Picasso nach Wien kommen. Zuerst versprach es eine Sensation zu werden, wenn der Weltmeister der modernen Kunst nach Wien kommt.

Aber dann passierte es. Direktor Otto Benesch machte eine Einladung zu einem Empfang des Künstlers in der ALBERTINA rückgängig, was ihm sichtlich peinlich war. Er war ganz einfach unter Druck gesetzt worden. Der Kalte Krieg war zu dieser Zeit am kältesten und es wehte ein so scharfer Wind in Wien, daß der Direktor des Kunsthistorischen Museums mitteilen ließ, Picasso könne selbstverständlich die Sammlung besuchen, er werde jedoch ersucht, dies alleine, respektive in kleiner Beglei­tung zu tun. Georg Eisler: „Man hatte irgendwelche tolle Vor­stellungen, daß Picasso das Museum als Tribüne benutzen und wilde Brandreden schwingen werde. Was an offiziellen Ehrungen für den damals immerhin schon betagten weltbe­rühmten Maler blieb, war eine Einladung des Bildhauers Heinz Leinfellner. Er erklärte sich bereit für Picasso ein Atelierfest zu geben — wenn jemand den notwendigen Wein bezahlt.“

Das alles passierte, ohne daß die Öffentlichkeit Kenntnis davon erlangte. Die Meinungsmacher — ausgenommen die kaum gele­sene KP-Presse — ignorierte das alles so, wie sie jahrelang das Programm des Theaters SCALA ignoriert hatten, wo der beste Brecht und der beste Nestroy gespielt wurden. Es passierte alles im luft­leeren Raum.

1954 veranstaltete die Federation International des Resistances, im Wiener Künstlerhaus eine Ausstellung ‘Kunst im Wider­stand’. Die Bestückung war vom Feinsten. Es wurden Werke von Picasso, Léger, Tal Coat, Pignon, Masson, Guttuso ge­zeigt. Die Ausstellung fand keinen Niederschlag in der Kritik. Eisler, der damals am Aufbau der Ausstellung mitarbeitete: „Der einzi­ge Kritiker, der die Ausstellung besuchte, war Jorg Lampe. Vorsichtig schob er sich hinein, aber auch er hat nichts ge­schrieben.“

Das war die eine Variante: nicht genannt sollen sie sein.

Eine andere, die provinzlerische Variante war, daß ein Kritiker, der bei der KPÖ war, aus der Galerie Würthle gewiesen wurde. Johann Muschik: „Ich bekam Hausverbot.“

Es gab auch eine literarische Version: Zu einem Band Erzählungen von Winfried Bruckner, illustriert mit Lithographien von Kurt Moldovan, schrieb Alexander Sacher-Masoch 1960 ein Vorwort. Hans Weigel riß diesen Einleitungstext des ‘linken’ Autors aus dem Band und sandte ihn an den Verleger, eine Gruppe junger Sammler zurück. Hans Weigel sah sich nicht imstande den Text eines Linken zu besitzen.

Noch 1947 waren beide, Sacher-Masoch und Weigel in der Redaktion der Zeitschrift STROM gewesen, der Kulturzeitung der sozialistischen Studenten.

Und natürlich gab es auch das große Mißverständnis auf staat­licher Ebene. 1918 entwarf der letzte Kaiser bevor er abdankte, noch schnell das Wappen für die neue Republik. Der Adler mit der Mauerkrone als Zeichen der Souveränität, der rotweißrote Schild mit den Nationalfarben, die Klauen mit den gesprengten Ketten als Zeichen der Freiheit und als Symbol der Arbeiter Hammer und der Bauern, die Sichel.

Plötzlich zur Hoch-Zeit des Kalten Krieges verschwanden Hammer und Sichel als äußere Zeichen des Bolschewismus aus den Wappen wo immer es nur möglich war. Auch auf den Münzen. Auf dem Schilling war plötzlich das alte austrofaschistische Edelweiß. Die weiße Rose und das Edelweiß waren die Symbole im Gegensatz zur roten Nelke der Sozialisten. Auf der Fünfschilling-Münze statt des Wappens der Bindenschild. Nur die Ein- und Zwei-Groschen-Stücke hat man bei der Entsymbolisierung vergessen.

Dafür tat man sich nicht besonders viel mit dem Krallenkreuz-Adler an. Die Fünf-Pfennig-Hakenkreuz-Münze wurde erst 1950 für ungültig erklärt und mit dem Zinkpfennig mit Krallenkreuz kann man noch 50 Jahre nach dem Ende Hitlerdeutschlands in Österreich zahlen. Sie ist immer noch (1996) gültige Münze.

Nicht durch Verfassungsgesetz wurde hier geändert, sondern durch Beamteninitiative. Man drückte sich um das Staats­symbol durch die Verwendung von Edelweiß und Bindenschild.

Gegen den Adler war nichts einzuwenden, aber Hammer und Sichel verschwanden. Erst als eine sozialistische Allein­regierung kam, also nach 1970, wurde das Staatswappen wieder in seiner gesetzlichen Form verwendet. Aufgefallen ist das dem sozialistischen Unterrichtsminister Leopold Gratz, der bei einer Auslandsreise eine Kristallschale als Gastgeschenk mitnahm und feststellte, daß der Adler seiner sekundären Staatsmerkmale ermangelt.