Kunst und Gesellschaft

Rundschreiben von Graf Bories, dem Vorsitzenden des „Berufsverbandes der Bildenden Künstler von Rheinland-Pfalz".

Bemerkenswert sind hierbei besonders die aufgeführten Zahlen im Bereich der Kultur.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

aus unserer Sicht steht Kunst und Kultur, insbesondere natürlich die Bildende Kunst, im Zentrum des Interesses. Staat und Gesellschaft sind demnach selbstverständlich verpflichtet, diese zu fördern und finanziell zu unterstützen. Da wir überwiegend mit Menschen verkehren, die der gleichen Meinung sind, oder uns ihre abweichende Meinung mit Rücksicht auf unseren Seelenfrieden kaum offenbaren wollen, scheint dies weitgehend unstreitig zu sein.

In fremder Gesellschaft lässt sich jedoch leicht feststellen, dass dies keineswegs „common sense" ist, obwohl man sich selbst unter Kulturbanausen eher zögerlich als solchen outet.

Häufig und ganz offenkundig begegnet uns die kritische Einstellung speziell gegenüber der Bildenden Kunst bei den „Kunst am Bau Projekten". Auch wenn es sich nur um Beträge von 1-2 der Bausumme handelt, also weniger als zum Beispiel die oft verschluderten Skontoabzüge, wird nicht selten mit viel Engagement versucht, diese „völlig unnützen Kosten" zu vermeiden.

 Diese Einstellung hat in den letzten Jahren tatsächlich auch zu einem langsamen aber kontinuierlichen Rückgang der Kulturförderung insgesamt beigetragen.

Pro Kopf der Bundesbürger entspricht dies ca 99€ (in Österreich immerhin 229€)

In Rheinland-Pfalz, wie in allen westlichen Flächenländem, beträgt die Förderung pro Kopf der Einwohner deutlich weniger, ca 73 €, die Stadtstaaten und die östlichen Bundesländer liegen deutlich darüber, Berlin €186, Sachsen €167.

Die Kulturförderung in Deutschland entspricht also gerade einmal 0,4 des Bruttosozialproduktes oder ca. 1 der öffentlichen Gesamtausgaben, weit weniger jedenfalls, als viele Ausgabepositionen der öffentlichen Haushalte, deren Reduktion um diesen Betrag sich kaum negativ auf unser Staatswesen auswirken dürfte, vielleicht sogar von Vorteil wäre.

Die Umsätze aus der Kultur bundesweit betragen ca 55. Mrd, die Steuern daraus mehr als doppelt so viel wie die staatliche Förderung, letztlich macht demnach der Fiskus sogar mit der Kulturförderung Gewinne!

Darin sind nicht einmal die mittelbaren Einnahmen aus dem Kulturtourismus enthalten, der ganze Regionen am Leben erhält.

Dem Kritiker staatlicher Kulturförderung sollte man diese Zahlen schon entgegenhalten.

Wahrscheinlich wird es gleichwohl schwer gelingen, solche Menschen von der Notwendigkeit der Künste zu überzeugen. Müssen wir nicht dennoch immer wieder gerade diesem Personenkreis deutlich machen, wie sehr wir alle, jeder einzelne , aber auch Staat und Politik unsere Identifikation, unser Selbstverständnis aus der Kultur herleiten ? Welche fatalen Folgen Kulturlosigkeit hat, selbst für unser wirtschaftliches Wohlergehen, das gewiss auch diesen Leuten am Herzen liegt ?

Ohne Kenntnis und Umgang mit der eigenen Kultur ist zudem ein Verständnis fremder Kulturen nicht möglich. Können wir ohne dieses Verständnis in einer multikulturellen und globalen Welt überleben ? Können wir einen Krieg der Kulturen riskieren ? Können wir in dem globalen Wettbewerb bestehen, wenn wir auf das Potential an Kreativität verzichten, das nur kulturelle Bildung hervorbringt ?

Die Gehimforschung belegt, dass kulturelle Bildung schon im frühen Kindesalter die Intelligenz fördert und dass Kunst und Kultur die Fähigkeit lebenslangen Lemens. ohne die eine heutige Gesellschaft auch wirtschaftlich kaum bestehen kann, nicht nur erheblich verbessert , sondern deren Voraussetzung bildet.

Kunst und Kultur ist ein wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeitsbildung jedes einzelnen und in der Summe unseres Staates. Ein Staat , der auf kulturelle Bildung verzichtet, würde sich selbst aufgeben. Darum ist die Kulturförderung auch in der rheinland-pfälzischen Verfassung verankert und darum fördert fast jeder Staat und jede Gemeinschaft seit der Höhlenmalerei die Künste.

Mehr oder weniger jedenfalls, je nachdem welche Qualitäten und welches Selbstverständnis die Staaten entwickeln !

Andererseits berechtigt der Wille und die Erklärung, nunmehr als Künstler leben zu wollen , noch nicht zur öffentlichen Alimentation. Kultur ist keine soziale Hängematte. Eine öffentliche Förderung als Gegenleistung für einen wichtigen Beitrag zur Kultur des Landes ist dagegen notwendig und berechtigt.

Diese wenigen Anmerkungen geben keine wirklichen Antworten auf die großen Fragen der Zeit. Mein Anliegen ist auch eher, darauf hinzuweisen, dass wir über unsere jetzige und zukünftige Funktion in Staat und Gesellschaft nachdenken müssen. Die Dynamik der allgemeinen Entwicklung lässt vieles auf der Strecke, was „zu spät kommt". Ich habe ein wenig die Befürchtung, dass wir in der Flut der neuen Probleme übersehen .werden. Wenn die Kunst erst an der Reihe ist, wenn alles andere gelöst ist, dann werden wir leicht zur Randerscheinung. Es muss deutlich bleiben, dass die Kunst Teil der Problemlösung ist ! Und wir sollten uns daran machen zu erklären, warum !

Graf Bories

BBK- Rheinland-Pfalz

Öffentliche Ausgaben für Kultur (Bund, Länder, Kommunen): 2001 8,4 Milliarden 2004 7,8 Milliarden bei gleichzeitig wachsenden Gesamthaushalten.