F. Krahberger über G. Habartas Biografie von Ernst Fuchs

Ernst Fuchs - Das Einhorn zwischen den Brüsten der Sphinx

Franz Krahberger über Gerhard Habartas Biografie von Ernst Fuchs

Gerhard Habarta, seit dem Ende der 50er Jahren Veranstalter von Ausstellungen, heute Organisator von Großausstellungen der europäischen Moderne, Galerist, Autor und Herausgeber von Büchern und Texten zur modernen Kunst und Langzeitbegleiter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, insbesondere des Werkes von Ernst Fuchs, zählt zu den detailreichsten Chronisten des Kunstlebens der 2. Republik bis in die 70er Jahre.
Bereits sein 1996 im Wiener Apfelverlag erschienenes Buch über Frühere Verhältnisse, Kunst in Wien nach 1945 zeichnet sich durch authentische Schilderung der personellen Zusammenhänge wie durch ein Gspür für die daraus entstehende Athmosphäre aus.

Habarta ist einer der wenigen couragierten Kunstgeschichtsautoren der 2. Republik, der das stille Wirken der CIA im Hintergrund des Wiener Kulturlebens der Wiederaufbaujahre im Zeichen des Marshallplans zumindest in Ansätzen, insbesondere den einflussreichen Art Club betreffend, nicht verschweigt. Bereits 1946 war der Wiener Maler Gustav K. Beck aus Italien mit der Idee zur Gründung eines Clubs bildender Künstler, vergleichbar mit dem bereits seit den 20er Jahren gegründeten Pen Club, der zu Beginn der 50er Jahre mit Hilfe von Hilde Spiel für die Erfordernisse des Kalten Krieges instrumentalisiert wurde, nach Wien zurückgekehrt.
Daraus entwickelte sich der legendäre Art-Club, dessen massives wie richtungsweisendes kulturpolitisches Gewicht mit der ersten internationalen Großausstellung im Oktober und November des Jahres 1950 in der Wiener Secession sich zeigte. Österreichische Künstler(inn)en wurden in einen selbstverständlich wirkenden Rahmen international prominenter Vertreter der insbesondere durch den Nationalsozialismus verfemten Moderne integriert und erstmals einer breiten Öffentlichkeit präsentiert.

Der junge Kunsthistoriker Alfred Schmeller und spätere Direktor des Museums des 20. Jahrhunderts entwickelte ein öffentlichkeitswirksames Konzept, dass den permanenten Treff Strohkoffer im Keller der ehemaligen Loosbar, die heute noch immer American Bar heißt, über Zeitungsberichte, Illustrierten und Kino-Wochenschau zu einem Begriff in der Wiener Bevölkerung werden ließ. Dieser Existenzialismus wienerischer Spielart erwies sich als ein auf Dauer wirksames populistisches Konzept.
Wie in allen grösseren Künstlervereinigungen begannen diverse unterschiedliche Strömungen ihre eigene Dynamik zu entwickeln. Ernst Fuchs und Arnulf Rainer, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits in anderen europäischen Städten, bevorzugt in Paris, umgetan hatten, verdichteten ihren Protest in der Hundsgruppe, die mittels früher Formen des Happenings agierte. Die erste Manifestation fand auf Einladung des „Allgemeinen Jugendkulturwerks“ statt, einer von der CIA finanzierten Organisation, die im Monat darauf in „Gesellschaft für Freiheit in der Kultur“ umgenannt wurde und damit auch namentlich in die Nähe zur europäisch umspannenden Dachorganisation „Kongress für Freiheit der Kultur“ gerückt wurde.
Auch der Art Club hatte bereits einen CIA Overhead, den Austroamerikaner Charles von Ripper, auf den Gerhard Habarta bereits in seinem Buch Frühere Verhältnisse hinweist.
Den Teilnehmern ist der Hintergrund ziemlich egal gewesen. Eine frühe Form des anything goes und von Anbeginn an das Credo CIA gesteuerter Kulturpolitik.

Das deckte sich mit der Ansicht eines der Wiener Gründerväter der Wiener Nachkriegsmoderne, Edgar Jené: „Der Surrealismus ist eine Sache der Freiheit. Dass im französischen Surrealismus auch eine starke Prise linksradikalen, trotzkistischen wie jakobinischen Denkens steckte, war damals noch nicht so deutlich.” Über die Hundsgruppe schrieb die Wiener Tageszeitung: „Extremisten, die nun dem Art Club als einem verwässerten Seicherlklub den Rücken gekehrt haben.”

Im Kalten Krieg liess sich alles gebrauchen, was mit Moskau nichts zu tun haben wollte.
Padhi Freeberger bestand immer wieder in Erzählungen darauf, der erste gewesen zu sein, der in Wien in Jeans herumgelaufen ist. Americanizing stand sowohl für Freiheit, Antifaschismus wie auch Antikommunismus, obwohl sich die CIA gar nicht genierte, andererseits die Reintegration der alten Nazis voranzutreiben. Ein Bündnis, dass sich auf Dauer als schwergewichtiger herausstellen sollte, als das Kulturprojekt, von dem Gerhard Habarta sagt, dass es eigentlich in gesellschaftlich abgeschotteten Kavernen gelebt worden ist, abseits von den Massen und andererseits doch präsent durch Presse und andere öffentliche Kanäle.

Ernst Fuchs, der um diese Zeit herum intensiv seine Pariser Kontakte auszubauen begann, zählte bereits zu jener Zeit zu den hervorragenden Querköpfen mit aristokratischem Anspruch, der ihm letztendlich von der feinen Wiener Gesellschaft auch erfüllt wurde: „Ich bin ein Monarchist, und weils die Monarchie nicht mehr gibt, bin ich halt ein Anarchist”, so die typisch österreichische Verlegenheitslösung. Dass Ernst Fuchs seine eigene Kunstmonarchie errichten wollte, mit ihm als Prophenten und Priesterkönig an der Spitze, hat er nie öffentlich propagiert oder gar postuliert. Doch Fuchs wirkte bereits in jungen Jahren gruppenbildend: „Ich war immer für die Gruppe. Weil ich gewusst habe, gerade in Wien würden wir ohne Gruppierung nie auch nur einen Hund herbeilocken.”

Die Gruppenbildung zeigte sich tatsächlich als charakteristisch wie offenbar unumgänglich für das Wiener Kunstleben der 2. Republik. So die Wiener Gruppe der Literatur, der Kreis, den Hermann Nitsch um sich zu sammeln wusste, der bis in die jüngste Zeit kulturpolitische Aufregung verursachte, ebenso die Friedrichshof Kommune Otto Mühls, und viele andere gescheiterte Unternehmungen. Alle österreichischen Künstler können es nicht lassen, beziehungsweise können es nicht umgehen, gemeinsame Ziele zu formulieren.

Gerhard Habarta hat vor einem Jahr im Styriaverlag eine kenntnisreiche Biografie des Ernst Fuchs vorgelegt, in dem er den Werdegang und die vielfältigen internationalen Verflechtungen des Österreichers bis hin zur lang anhaltenden Freundschaft mit Salvadore Dali kenntnisreich schildert.
Fuchs zählt trotz seiner Umstrittenheit und der weitgehenden Ablehnung der Schule des Wiener Phantastischen Realismus seitens Wiener Intellektuellen- und Künstlerkreise zweifellos zu den herausragenden österreichischen Künstlern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Dem phantastischen Realismus gelang es entgegen dem Schicksal fast aller anderen Kunstströmungen des Landes, populär zu werden und einen Bekanntheitsgrad zu erreichen, der weit über die Landesgrenzen hinausging. Dazu trugen die exotisch wirkenden Inhalte ebenso bei, wie der gezielt wirkungsvoll eingesetzte Lebensstil bei. Fuchs selbst besaß bald zwei Rolls Royce, fuhr jedoch bei nicht repräsentativen Anlässen locker wie sparsam einen Puch 500.

Im Sinne seiner Kunst oder seiner Auffassung von Kunst schlechthin ist ihm nichts zu teuer gewesen. Privat gilt er eher als Knauser. Sein Maler-Freund und Gruppenpartner Rudolf Hausner fuhr im eigenen Mercedes 600 am Opernball vor. Das erwarte die Gesellschaft von ihnen, so Hausner. Highsociety-Gebaren als künstlerische Betriebsinvestition. Im Gegensatz zu den Spielformen der um einiges ärmeren literarischen wie auch anderer Künstlerexistenzen, die ebenso dem Dandytum fröhnten, so hieß etwa der Freundeskreis um Walter Pichler Englische Flotte, weil sie in einem einschlägigen Geschäft britischen Bekleidungsstils der Wiener Innenstadt sich ihr Outfit besorgten, gelang es den Wiener Phantasten, insbesondere Ernst Fuchs tatsächlich, so etwas von einem Hauch Jet Set in das Wiener Gesellschaftsleben zu bringen. Damit verbunden war ein exaltierter Redestil im Umgang mit der Öffentlichkeit, von dem der nachkommende Andre Heller heute noch nicht lassen kann, wie persönliche Repräsentationsformen, die etwa Helmut Leherbauer als Maitre Leherb zum absoluten Wiener Societyliebling werden liessen.

Das Konzept der Phantasten war also im Gegensatz zu den gesellschaftskritischen Strömungen in Kunst und Literatur, die sich nach 68 in der Regierungszeit der Sozialdemokratie zu entwickeln begannen, elitär an der High Society, die sich auch die Bilder der Maler leisten konnte, orientiert. Andererseits produzierten vor allem Fuchs und Friedensreich Hundertwasser Seriegrafien, die rasch in grossen Mengen und im internationalen Masstab vertrieben wurden. Der Phantastische Realismus wie nahestehende Künstler wie Hundertwasser erreichten damit auch weniger betuchte Schichten.

Im Eigenverständnis der Phantasten bestimmte der Geniebegriff die künstlerische Identität wie auch gesellschaftliche Legitimation.
Wolfgang Hutter: „Ich befinde mich in der privilegierten Lage, jeweils ein Stück persönlicher Phantasie und Kreativität verkaufen zu können”, so in einem zurückliegenden Kurier Interview. Das ist sicherlich mit einer der Gründe, warum die Phantasten in den 7 er Jahren in einem von sozialen wie kollektiven Kriterien bestimmten Kulturkampf ins Abseits gedrängt wurden, obwohl sie mehr als ein Jahrzehnt zu den forcierten Lieblingen der österreichischen Sozialdemokraten gezählt werden können.

Die Phantastischen Realisten hatten ein Problem in ihrer Namensgebung. Ab einem bestimmten Zeitpunkt wollten sie sich vom Surrealismus abgrenzen, weil deutlich geworden war, dass das inhaltliche wie auch formale Repertoire doch von der französischen Schule des Surrealismus bretonscher Prägung abwich, und man sich andererseits eine international unverwechselbare Identität verschaffen wollte. Probleme bereitete darin der Begriff des Realen. Noch 1960 wurde seitens eines ministerialen Hofrates die Gruppendeklaration Phantastische Realisten anlässlich einer Gruppenausstellung in der Österreichischen Galerie im oberen Belvedere entschieden zurückgewiesen, weil der Begriff degoutant an den sozialistischen Realismus erinnere, angesichts der Inhalte der Phantasten eine völlig groteske Unterstellung. Realismus jedoch sollte auf jedenfall am Rand und im Untergrund gehalten werden. Im Zuge der Neubildung der österreichischen Republik unter den Rahmenbedingungen des Kalten Krieges sollten alle Rekurse auf den Realismus, der als stalinistisch kondaminiert galt, andererseits auf den von den Nazis missbrauchten Naturalismus beziehungsweise heroischen Heldenrealismus unterbunden werden. Dazu Rudolf Hausner:
„Die gegenständliche Kunst war durch die Nazikunst und ihr Pendant im sowjetischen Einflussbreich desavouiert worden. So wurde das Informel als Bekenntnis zum freien Westen, als Staatskunst herausgestrichen. Die abstrakte Kunst ist gleichzeitig mit den CARE-Paketen und ERP-Krediten gekommen. Sie war nur in Marshall Plan Ländern zu lokalisieren...” Der Surrealist Victor Brauner sagt: „Die Marshallplan-Kunst ist in Europa ausgebrochen“. Und der Informelle Hans Staudacher: „Sie (die abstrakte Kunst) ist Übermut – und das deshalb, weil sie Macht (eine politisch verliehene Macht) hat. Malerei und Poesie erzählen nicht mehr, sie handeln.”
Wenn nichts mehr erzählt werden muss, braucht man auch die monströse Vergangenheit nicht mehr zu verarbeiten. So wird aus dem von Clement Greenberg, New Yorker Kunstkritiker wie Theoretiker des abstrakten Expressionismus, „Ein Bild steht nur für sich selbst, und deutet nichts anderes” zu Beginn der 50er Jahre postulierten Erzählverbot ein bequemer Schutzmantel des Vergessens. Bis in die 90er Jahre habe ich von Wiener Secessionisten den Satz gehört: „Alles zu literarisch, alles viel zu literarisch....” Zuerst habe ich das für Literaturfeindlichkeit bestimmter bildender Künstler gehalten. Nein, es war schlicht und einfach Folge der Denunziation alles Realistischen seitens der Meinungsmacher unter Anleitung der CIA.

Man beugte sich dem grundlegend politisch motivierten Diktat aus den USA, dass unter Anleitung und Förderung der CIA die Abstraktion an die Spitze stellte. Möglicherweise stellt der Phantastische Realismus einen besonderen österreichischen Kompromiss dar, um die Gegenständlichkeit in der Malerei zu erhalten, um damit den Sehgewohnheiten eines breiten Publikums weiterhin entgegen kommen zu können. Die Meinung, dass die Phantasten unter diesem strengen Realismus Verdikt gelitten haben, teile ich nicht, stand doch der Phantastische Realismus, letzteres charakterisierte allein den gegenständlichen Malstil, fern dem politischen wie ideologischen Realismus.

Auch Arnulf Rainers Stil der Übermalung folgte mehr der für Österreich so charakteristischen Verdrängung und ist keineswegs als ein Stück der Aufklärung anzusehen. Besonders deutlich wird dies, wenn man den familiären Hintergrund Rainers in Betracht zieht. Ernst Fuchs wäre in der US-Konstellation mit einer Seite seiner durchaus widersprüchlichen Erscheinungsformen sogar eher der Subkultur der Beatniks, der Hippies und deren Vorliebe für Psychedelicas und das Esoterische zuzuordnen, die in ablehnender Distanz zur Staatskultur der Abstrakten standen.

Mit der Hervorhebung dieser Outsiderposition ebenso wie des unbestritten errungenen Society-Flairs allein wird man der Künstlerpersönlichkeit Ernst Fuchs nicht gerecht. Obwohl seine Malerei, abgesehen von Details, meinen persönlichen Geschmack wie auch meine künstlerischen Vorlieben nicht trifft, hat mich sein Hang zum Universellen, den er programmatisch wie fundiert in seiner Architectura Caelestis – Die Bilder des verschollenen Stils ausbreitet, seit ich dieses Buch das erstemal in die Hand genommen habe, interessiert wie fasziniert. Ein entsprechend vergleichbares Werk kann ich nur in Gustav René Hockes Welt als Labyrinth erkennen. Tatsächlich hat Hocke die Wiener Phantasten inspiriert und ihnen auch ein theoretisches Gerüst für ihre Parallelexistenz des Vergangenen wie des Gegenwärtigen geliefert, abgesehen von dem fast manisch zu nennenden Einsatz der Maltechniken der alten Meister, der zum besonderen Ärgernis der anderen heimischen Modernisten werden sollte, bis hin zum generellen Weibelschen Malverbot.

Es gibt kaum einen anderen lebenden Künstler, der dieses Konzept einer virtuellen Architektur inspirierter Religiosität wie kosmischer Umfassung so ernsthaft aus innerem Antrieb heraus betreibt, wie Ernst Fuchs es getan hat und weiterhin tut. Seine Individuationen in Christo, in die er sich höchst subjektiv selbst einbringt und andererseits die sexuelle Obsessivität des persönlichen Fruchtbarkeitsmythos, haben ihn immer wieder an den Rand des Blasphemischen gebracht. Dieser Vorwurf ist ihm vor allem von der Liga gegen entartete Kunst gemacht worden, einer Post- bzw. Neonaziorganisation der 60er Jahren. Doch die glaubwürdige innere Intention sowohl der Religiösität wie auch das offene Bekenntnis zur Sexualität ließen Das Einhorn zwischen den Brüsten der Sphinx diese Angriffe unbeschadet überstehen.

Fuchs verstand sich als Brückenbauer zwischen jüdischer und christlicher Religion und tat dies ohne Verleugnung der jüdischen Identität, wie es etwa Hans Weigel als fortschrittliche Tugend im allgemeinen österreichischen Versöhnungwerk angesehen hat. Das Bekenntnis zur eigenen Identität, unbeeindruckt vom österreichischen antisemitischen Verfolgungswahn, der auch nach dem Zusammenbruch des Naziunwesens noch tief in Teilen der österreichischen Seele sich verkrochen hatte, teilt er mit Arik Brauer, dem es durchaus gelungen ist, ein eindrucksvolles Werk künstlerischer jüdischer Identität in Österreich nach dem Schrecken des Nationalsozialismus wieder herzustellen.
In beiden Fällen ist dies allein durch einen Akt konsequenter Individuation gelungen, der sich von vornherein nicht auf faule Kompromisse eingelassen hat. Verbunden mit dem starken eigenen künstlerischen Potential wie auch dem ungebrochenen Glauben an ein ureigenes Weltbild, auch in Inkaufnahme einer Aussenseiterexistenz in jungen Jahren, ist es den beiden gelungen, ihre künstlerischen wie menschlichen Vorstellungen umzusetzen und mit Erfolg zu krönen. Beide zählen damit zu einer Sonderklasse von Künstlern, die sowohl konsequent an ihrem Werk gearbeitet haben, wie auch ein hervorstechend nonkonformistisches Leben zu führen imstande gewesen sind. Wobei in solchem Vergleich Ernst Fuchs um einiges manierierter wirkt als Arik Brauer, ohne jedoch die innere Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Ein einschneidendes wie prägendes Erlebnis hat Ernst Fuchs jahrzehntelang verschwiegen. Während seines Amerikaaufenthaltes 1955 hatte Fuchs Visionen und wie er 40 Jahre später erst erzählt, ein Gotteserlebnis gehabt. „Man kann doch niemanden sagen, dass einem Gott erschienen ist. und Darüber kann man auch nicht schreiben. Ich will ja nicht in eine psychiatrische Anstalt kommen.” Merkwürdig ist das schon. Da muss erst einer zwei Rolls besitzen, ein international berühmter Maler mit Wohnsitz in Monaco werden, bevor er es wagen kann, über ein außergewöhnliches Gotteserlebnis zu reden. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf ein katholisches Land wie Österreich, wie auf die katholische Kirche insgesamt, in der man an den Gott glauben muss, die Existenz Gottes anerkennen muss, und nicht erzählen darf, so man dem in inspirierter Form begegnet ist. Also eine Kirche, die von der Offenbarung lebt, sie aber ihren Gläubigen nicht zutraut. Dass Ernst Fuchs diese Mitteilung mehr als die Hälfte seines Lebens zurückgehalten hat, zeigt denn doch, dass er mit seiner himmlischen Architektur kein potemkinsches Dorf errichten wollte, sondern das seine Himmelsarchitektur tatsächlich Ausdruck eines tief verankerten, inspirierten Glaubens, den Fuchs mit den Mitteln der Kunst zu transformieren sucht, ist. Das muss man anerkennen.

Der Architectura Caelestis von Ernst Fuchs steht andererseits die weltweit erfolgreiche sachlich, nüchterne Konzeption des Bauhauses gegenüber, jener Institution die eigentlich der entscheidende Wegbereiter der Abstraktion gewesen ist, und die trotz ihrer Vertreibung aus Deutschland zur wahrscheinlich einflussreichsten Kunstauffassung wie auch in ihrer architektonischen Ausrichtung und Realisierung zur bedeutendsten Kunst- wie Architekturströmung des 20. Jahrhunderts geworden ist, in der alle Existenz nur mehr Existenz ist, ohne über sich hinaus zu weisen.

Trotzdem bleibt es weiterhin spannend, hin und wieder über Ernst Fuchs nachzudenken, und wenn es anhand der detailreichen Biografie von Gerhard Habarta stattfindet. Erst in ihren Gegensätzen werden gesamtgesellschaftliche kulturelle Entwicklungen deutlich.

Ernst Fuchs: „Das Einhorn zwischen den Brüsten der Sphinx”
Gerhard Habarta
Verlag Styria Graz Wien Köln 2001
ISBN 3-222-12851-0

Frühere Verhältnisse
Kunst in Wien nach ‘45
Gerhard Habarta
Verlag der Apfel; Wien 1996
ISBN 3-85450-045-9